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Zwischen Christ und Markt

Der "Rheinische Merkur" ist nun Geschichte. Heute hatten die Zeitungsmitarbeiter ihre letzte Redaktionskonferenz. Die Wochenzeitung, von der Katholischen Kirche finanziert, war aber nicht das einzige Tendenzblatt auf dem deutschen Zeitungsmarkt.

Von Brigitte Baetz |
    Bonn, an diesem Montag. Die Redaktion des "Rheinischen Merkur" ist zu ihrer letzten Konferenz zusammengekommen, die letzte Ausgabe wird besprochen. Es heißt Abschied nehmen von 64 Jahren Tradition im Namen einer christlich geprägten Publizistik. Jean-Claude Juncker, der ehemalige EU-Ratspräsident und Mitherausgeber des Blattes wird sich von den Lesern verabschieden, Margot Käßmann, vormals Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, wird einen Text über Abschiede beisteuern. Und: Ein Artikel über den desaströsen Arbeitsmarkt für Journalisten bereitet die 20 Redakteure auf die Zeit nach dem Ende ihres Blattes vor. Ihnen allen und 27 weiteren Mitarbeitern der Zeitung ist gekündigt worden, die meisten von ihnen haben noch keine neue berufliche Perspektive. Die Stimmung ist gedrückt bis wütend. Christiane Florin, bislang verantwortlich für die Kultur in der Wochenzeitung, bringt die Enttäuschung ihrer Kollegen auf den Punkt:

    "Für mich war es eigentlich ein Schlag ins Gesicht, sowohl als Journalistin als auch als Katholikin, in doppelter Weise ein Schlag ins Gesicht. Wir wussten schon lange, dass die Zahlen nicht besonders gut sind, dass da irgendwas im Busch ist, aber nicht so genau, was. Wir haben ja dann versucht, etwas Anderes zu entwickeln, den 'Rheinischen' Merkur auf ein Magazinformat umzustellen. Das war im Sommer dieses Jahres. Aber all das hat bei den Gesellschaftern nicht gefruchtet. Dann haben wir im Herbst, am 21. September, den Gesellschafterbeschluss erfahren und der bedeutet eben, der 'Rheinische Merkur' wird eingestellt und geht in einer Beilage auf, die dann der ZEIT angehängt wird."

    Es war vor allem der Kölner Kardinal Joachim Meisner, der die Einstellung des Rheinischen Merkur betrieben hat. Nicht nur innerhalb der Redaktion wird spekuliert, ob der konservative Kardinal einen Vorwand gesucht hat, um eine Institution zu schließen, die ihm zu liberal war. Seine Erzdiözese war zusammen mit acht weiteren Diözesen Trägerin des Blattes, gemeinsam mit der Deutschen Bischofskonferenz. Offizielle Begründung für die Einstellung: Die finanziell miserable Lage der Wochenzeitung, die zuletzt, so Brancheninsider, kaum mehr als 14.000 Abonnenten hatte, die den vollen Preis zahlten. Michael Rutz:

    "Ja Gott, es gibt eine ganze Reihe von Blättern, die haben noch weniger Auflage als wir und sind doch irgendwie bedeutend im Markt."

    Michael Rutz, Chefredakteur des Rheinischen Merkur.

    "Die Frage der Auflage ist ja nicht die allein entscheidende. Die andere ist, wie viele Menschen erreichen Sie und was sind das für Menschen. Wir haben 140.000 Menschen jede Woche erreicht. Das waren Leser, die Multiplikatoren waren in der Gesellschaft, die ein hohes Bildungsniveau hatten, die an Schaltstellen in der Gesellschaft saßen in der Politik, in der Wirtschaft, in der Kultur. Wir wissen das aus den vielfältigen Kontakten, die wir haben. Das waren die besten, und wir haben deshalb auch immer die besten Gesprächspartner bekommen. Sie haben im Rheinischen Merkur die höchste Qualität von Journalismus gefunden, die es gab und Gesprächspartner, keiner hat sich verweigert, weil er wusste, der 'Rheinische Merkur' ist ein qualitätsorientiertes Blatt mit einer klaren Haltung und insofern werden es die Leser sehr bedauern, aber am Ende auch die, die uns jetzt eingestellt haben."

    Matthias Kopp ist einer derer, die um Verständnis für die Einstellung des Blattes werben müssen. Er ist Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz und gibt zu bedenken, dass die Katholische Kirche jährlich 2,6 Millionen Euro für den Unterhalt des "Rheinischen Merkur" habe zuschießen müssen. Diese Summe wolle sich die Kirche nun nicht mehr leisten. Der Grund: Weniger Einnahmen aus der Kirchensteuer und ein geändertes Mediennutzungsverhalten, gerade von jüngeren Leuten, machten es notwendig, die kirchliche Medienstrategie neu auszurichten. Trotzdem sich immer mehr Menschen für religiöse und ethische Fragen interessierten, kämen kirchlich ausgerichtete Blätter beim Publikum einfach nicht mehr so an wie früher. Matthias Kopp:

    "Wir denken immer wieder darüber nach, wie wir unsere kirchliche Medienarbeit priorisieren, wir brauchen bestimmte Organe, um nach draußen zu kommunizieren, und die Bischöfe haben dann in dem ganzen Umfeld der Diskussion um den Rheinischen Merkur gesagt: Wir wollen darauf achten, dass wir unser Online-Engagement stärken, dass wir unsere Journalistenschule in München stärken und dass wir unsere Nachrichtenagentur, die katholische Nachrichtenagentur, ebenfalls stärken."

    Der "Rheinische Merkur" war vor allem in den Anfangsjahren der Bundesrepublik ein wichtiges Forum, das überregionale Beachtung fand – und das lange bevor die Hamburger "Zeit" überhaupt in die schwarzen Zahlen kam. Der von den Nazis verfolgte Journalist Franz Albert Kramer hatte am 15. März 1946 die erste Ausgabe in Koblenz herausgebracht. 'Es gibt keinen größeren Namen, zu dem wir greifen könnten', schrieb er in seinem ersten Leitartikel. Im 19. Jahrhundert war der "Rheinische Merkur" des katholischen deutschen Patrioten Joseph Görres eine publizistische Speerspitze im Kampf gegen Napoleon gewesen.

    Wofür aber stand der Rheinischen Merkur in der Bundesrepublik Deutschland? Noch einmal Chefredakteur Michael Rutz:

    "Den "Rheinischen Merkur" hat ausgemacht die ausgeprägt christliche Sicht auf die Gesellschaft. Wir wollten und haben dafür gefochten, dass in der Politik das christliche Menschenbild sich durchsetzt, indem was politisch konkret beschlossen wird. Das klingt ein bisschen abstrakt – das christliche Menschenbild – ist aber ganz konkret, wenn Sie nachdenken über Fragen der Bioethik, in den Fragen der Sozialpolitik, in den Fragen der Gleichberechtigung, viele Fragen, Fragen der Familie, dann hat das auch immer christliche Angänge und für die haben wir gefochten."

    Auf gesellschaftspolitische Fragen aber wollte sich das Blatt nicht beschränken. Dafür waren die vergangenen sechs Jahrzehnte auch weltpolitisch viel zu bewegt.

    "Das Zweite, für das der "Rheinische Merkur" stand, ist die europäische Idee. Der "Rheinische Merkur" hat immer für die Europäische Integration gekämpft, und wir haben mit diesen Haltungen, die wir eingenommen haben für Europa aber seinerzeit auch für die deutsche Wiedervereinigung, immer auch Recht behalten am Ende. Das erfüllt uns mit einem gewissen Stolz. Wir haben nicht Recht behalten, weil es uns gab, aber es ist auch besser dann am Ende zu finden, man hat für eine gute Sache gekämpft, und jeder von uns, der jetzt hier geht, der kämpft weiter für das an dem Ort, an dem er jetzt landet."

    Sechs Mitarbeiter landen bei der neuen Beilage der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". Die Abonnenten, die dem Merkur bis zum Schluss treu geblieben sind, bekommen ab nächsten Donnerstag "Die Zeit" zugestellt – in der sich dann auch die neue Beilage findet. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo:

    "Ich weiß wohl, dass sechs Seiten Merkur weniger sind als das, was jetzt da war, aber es ist immer noch besser als wenn gar nichts übrig geblieben wäre. Ich glaube, dass sind ganz hervorragende, es sind ausschließlich Kollegen des Merkurs, die das weiterführen, von denen wir einen sehr, sehr guten Eindruck haben und auf sechs Seiten kann man verdammt viel Gutes und Kluges machen. Wir erhoffen uns natürlich auch einen Effekt, dass es Zeit-Leser gibt, die sagen, ich bin neugierig, ich will diesen Teil auch haben."

    Giovanni di Lorenzo erhofft sich von der neuen Beilage auch, dass sie einen besonderen christlichen Blick auf die Gesellschaft wirft und Informationen aus den Kirchen transportiert - kurz: die Auseinandersetzungen innerhalb der Kirchen journalistisch transparent macht. Warum aber tun sich die Kirchen so schwer damit, trotz ihrer langen publizistischen Tradition, die bis in die Weimarer Republik zurückreicht, eigene Zeitungen erfolgreich am Markt zu positionieren?Hartmut Meesmann:

    "Na ja, sie tun sich schwer damit, weil es einen Grundkonflikt gibt zwischen der Lehre, so wie sie das verstehen, dem, was vermittelt werden soll, und der Offenheit, die gerade im Journalismus, wenn man eine Zeitung macht, unverzichtbar ist, ja?"

    Hartmut Meesmann, Ressortleiter bei der Zeitschrift Publik-Forum.

    "Man kriegt immer nur einen Teil der Leser, wenn man eine Zeitung macht, die eigentlich immer nur das bestätigt, was man eh schon weiß und die praktisch nur ein verlängerter Arm des Lehramtes ist und damit tun sich doch viele Verantwortliche in der Kirche schwer mit einer Presse, die einfach nicht ganz so zu kontrollieren ist, und Journalisten sind das nicht. Und wir müssen ja immer auch schauen, was die Menschen bewegt und wir müssen uns auch heißen Eisen und gerade den heißen Eisen widmen, und da wird’s dann heiß und da zuckt dann mancher zurück."

    Publik-Forum, die Zeitschrift für kritische Christen, wie sie sich selber nennt, ist eigentlich ein Kind der katholischen Publizistik, bzw. der Zeitung Publik, die zwischen 1968 und 1971 existierte. Hartmut Meesmann:

    "Eine Wochenzeitung, die von den katholischen Bischöfen herausgegeben wurde. Und das war ja damals ein Versuch, eine katholische Zeitung zu machen, die offen ist. Offen für Themen der Gesellschaft, auch dialogisch, und das war ja damals auch die Zeit nach dem Konzil, und insofern war das ein sehr gutes Projekt, nur: Das hat dazu geführt, dass die Bischöfe dann nachher kalte Füße bekommen haben, weil Publik etwas zu offen aus ihrer Sicht war. Und dann wurden die Finanzen, sag ich jetzt mal, vorgeschoben, und die Zeitung eingestellt."

    Doch da war es schon zu spät, die – für manchen Bischof zu liberale - Stimme verstummen zu lassen.

    "Und dann gab es sehr viele Publik-Leser, die diese Zeitung, übrigens ich auch, mit Begeisterung gelesen haben, ich damals als Student, und gesagt haben: Da sind wir nicht mit einverstanden. Ich war damals Volontär bei der Frankfurter Neuen Presse in Frankfurt und da drüber geschrieben habe, und dann hieß es damals in der Überschrift: Nur die erste Ausgabe ist finanziell gesichert oder so. Also, es war völlig unklar, ob daraus was wird, und jetzt sind wir – Publik-Forum – 30 Jahre."

    Inzwischen steht das monatlich erscheinende Publik-Forum finanziell auf stabilen Füßen. Das Blatt erscheint in einer Auflage von 34.000 Stück und erfreut sich engagierter Leser – es ist eine Art Kirchenzeitschrift von unten, ökumenisch orientiert und gelesen hauptsächlich von Akademikern, die sich für die Mischung aus eher linken politisch-gesellschaftlichen Themen und religiös-ethischen Fragen interessieren. Unter ihnen auch viele bekennende Atheisten, die sich zwar nicht mit der Institution Kirche anfreunden können, aber die ethische Ausrichtung von Publik-Forum schätzen.

    Die kirchlichen Bindungen haben seit den 60er-Jahren immer mehr abgenommen. Die Bevölkerung entchristianisiert sich: Es gibt kaum noch katholische oder protestantische Milieus. Allein die Auflage der deutschen Bistumszeitungen ist von 2,4 Millionen im Jahr 1963 auf heute knapp 700.000 Exemplare gesunken. Das bringt die Kirchen in eine schwierige Lage: Denn einerseits möchten sie in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielen, andererseits macht es der Spardruck schon schwer genug, allein die Zeitungen zu finanzieren, die sich speziell an die Gläubigen richten. Wie viel schwerer es ist sich an ein breiteres Publikum zu wenden, das ohnehin schon jede Woche zwischen "Zeit", "Der Spiegel", "Welt am Sonntag" und vielen anderen wählen kann, hat auch Arnd Brummer erfahren. Er war der letzte Chefredakteur des "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblattes". Schon 1994 habe er vorhergesagt:

    "Es wird Wochenzeitungen geben, die überleben, die ein ordentliches Polster haben, also ein Auflagenpolster und ein Abo-Polster, die werden es schaffen. Genau genommen ist ja auch die FAS eine Wochenzeitung, die Frankfurter Allgemeine vom Sonntag und es wird Leute geben, die sagen: ich leiste mir den Luxus, am Sonntag mit dem großen Mug mit Tee oder Kaffee am Boden zu liegen und dieses riesige Format zu blättern, weil das für mich ein Stück des Lebens als Bildungsbürger ist, aber ich hab gesagt, das wird nicht reichen für viele. Und da hat mich in der evangelischen Kirche manch einer beschimpft oder belächelt und gesagt: Wir brauchen doch dieses kritische, unabhängige Medium. Es stellte sich einfach heraus, dass wir zu mager waren, um zu überleben. Wir haben uns im Jahr 1999/2000 mit einer anderen bedeutenden Wochenzeitung fast alle relevanten Journalistenpreise geteilt: Theodor-Wolf-Preis, Fullbright-Stipendium, und so weite.r Diese Zeitung hieß "Die Woche". Die gibt’s auch nicht mehr."

    Das "Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt" verkaufte am Ende nur noch 18.000 Exemplare. Zeit, die Reißleine zu ziehen, befand die evangelische Kirche vor zehn Jahren – und stellte die angesehene, aber mit hohen Kosten belastete Wochenzeitung ein. Im Blick zurück kann sich Arnd Brummer darüber amüsieren, wie sich die Reaktionen von Lesern und potenziellen Käufern so überhaupt nicht in den Verkaufszahlen niederschlugen. Arnd Brummer:

    "Ich geb' das auch an drei Leute weiter, so toll find ich das. Ich hab dann zum Teil, wenn die mir ganz orgiastische Leserbriefe geschrieben haben, gesagt: Ich geb das an drei Leute weiter, das hat mich wieder so berührt und ich fand das so klasse – sag ich ja, wir haben auch Leser-Prämien, verkauf denen doch ein Abo, Du kriegst was dafür – war irgendwie nicht erfolgreich."

    :
    Da der gute Ruf des Blattes alleine nicht half, änderte der Rat der Evangelischen Kirche die Strategie – und gründete Chrismon. Das Magazin liegt als kostenlose Beilage einmal im Monat verschiedenen Tageszeitungen bei – und auch der Wochenzeitung "Die Zeit". Es erreicht knapp eine Million Leser. Ein Projekt, das auch keine schwarzen Zahlen schreibt, aber auf seine Art die evangelische Kirche und ihren Standpunkt in der Öffentlichkeit präsent hält. Chefredakteur ist wieder Arnd Brummer.

    Kritiker werfen Chrismon vor, in seiner Mischung aus Lebensberatung, Reportagen und dem Aufwerfen religiös-ethischer Grundfragen zwar für eine breite Leserschaft attraktiv, aber auch sehr unkritisch zu sein. Ein Vorwurf, den Arnd Brummer nicht nachvollziehen kann. Er glaubt, dass es die Aufgabe von Kirche sei, nicht den Bekehrten zu predigen, sondern die Menschen dort abzuholen, wo sie sich befänden. Chrismon erreiche heute ein Publikum von Bildungsbürgern, das über andere Kanäle so nicht mehr erreicht werden könnte – Menschen, die zwar noch Restbeziehungen zum Christentum hätten, aber nicht wirklich gläubig seien und durch Chrismon wieder an ihre Wurzeln erinnert würden. Arnd Brummer:
    "Es finden verschiedene Gattungen, Stilgattungen des Journalismus, finden nicht mehr in dem Maße statt: das ist Kommentar und Leitartikel. Wir haben Interviews, wir haben Streitgespräche und da wird auch sehr kritisch agiert und wir haben Reportagen, und das ist die Mutter des Journalismus. Wir sind kein frommes Organ, keine Stimme des Protestantismus, das geht sowieso nicht bei dem vielstimmigen Protestantismus, aber wir sind das Forum, die Plattform, wo sich Leute streiten können und austauschen. Richtig ist, dass wir den Sarrastro-Journalismus abgeschafft haben. Der Sarrastro-Journalismus mit den Leitartikeln, unter denen steht: Wen solche Lehren nicht erfreuen, verdient es nicht ein Mensch zu sein, den gibt es bei uns nicht."

    Die Existenz von Chrismon, das vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik in Frankfurt herausgegeben wird, ist bis auf weiteres gesichert. Nur: Es wird immer ein Zuschussgeschäft bleiben - und ein Projekt auf Abruf. "Mandat und Markt", so lautete der Titel des publizistischen Gesamtkonzepts der EKD von 1997. Will heißen: Einer permanenten Subventionierung sind Grenzen gesetzt.

    Beide großen christlichen Kirchen versuchen ihr Medienangebot zu zentralisieren beziehungsweise zu vernetzen. Mit evangelisch.de und katholisch.de werden Plattformen im Internet aufgebaut und ausgeweitet. Dort bringen auch verstärkt die beiden großen kirchlichen Nachrichtenagenturen, der Evangelische Pressedienst epd und die Katholische Nachrichtenagentur kna ihre Kompetenzen ein. Und: Diese Plattformen können in Zukunft auch dafür genutzt werden, die einzelnen Gemeinden mit Informationen zu versorgen. Auch im Fernsehen sind die Kirchen weiter präsent – unter anderem mit einer jeweils 12,75-Prozent-Beteiligung am Sender Bibel TV.

    Doch wo werden in Zukunft die intellektuellen innerkirchlichen Debatten geführt, die auch für eine breite Öffentlichkeit Bedeutung haben? Die neue Beilage der Zeit, die die Tradition des "Rheinischen Merkur" fortsetzen soll, ist davon abhängig, dass sie auf Dauer Leser binden kann. Die katholische Kirche ist finanziell nicht mehr beteiligt. Die Abonnenten müssen also dem Blatt die Treue halten, oder es müssen in großem Stil neue dazu gewonnen werden. Das einstige Flaggschiff, das nun zum Beiboot geworden ist, muss sich auch am Markt bewähren, sonst wird es für immer abgewrackt. Noch ist mehr als offen, ob die bisherigen Leser des "Rheinischen Merkur" die Zeit überhaupt akzeptieren werden – eine Wochenzeitung, die von ihnen immer noch als eher linkes Blatt betrachtet wird. Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit, glaubt jedoch, dass das Experiment gelingen könnte und, dass es die Kirchen bislang zu wenig verstanden haben, ihre Produkte auch zu bewerben:

    "Ich glaube, dass natürlich Kirchen, wie andere Unternehmen auch, die nicht Verlage sind, naturgemäß Schwierigkeiten haben zu verstehen, wie funktioniert eine Zeitung. Ich glaube, dass zu wenig auch investiert worden ist in das Anwerben neuer Leser. Es ist immer eine Gefahr, wenn man mit einer Zeitung in einer ganz bestimmten Altersgruppe nur noch präsent ist und keine Jüngeren mehr erreichen kann. Und dann gibt es auch noch einen Richtungsstreit, den kann man ganz schön an Chrismon sehen – ein Blatt, was gut gemacht wird, ich habe großen Respekt vor den Kollegen, die das machen, aber der Weg ist natürlich: Wir profanisieren christliche Inhalte, um dadurch an Leser heranzukommen, die ansonsten keinen besonderen Bezug haben zur Kirche."

    Wie viel anspruchsvolle Publizistik will, wie viel anspruchsvolle Publizistik muss sich Kirche heute leisten können? Diese Frage ist auch innerhalb der kirchlichen Hierarchien höchst umstritten. Im Moment, das zeigt die Einstellung des Rheinischen Merkur in seiner jetzigen Form, haben die finanziellen Zwänge auf dem Zeitungsmarkt darauf die Antwort gegeben.