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Zwischen Diktatur und Fluchtbewegung
Die schweigende Kulturszene in Eritrea

Tausende Menschen fliehen jedes Jahr vor den Menschenrechtsverletzungen in Eritrea. Die Menschen, die im Land bleiben, müssen sich mit der Diktatur arrangieren - Kritik wird, wenn überhaupt, nur hinter vorgehaltener Hand geübt. Auch in der Kulturszene hält man sich bedeckt.

Von Oliver Ramme |
    Ein Art deco Theatersaal in Asmara, der Hauptsstadt von Eritrea
    Ein Theatersaal in Asmara (Deutschlandradio / Oliver Ramme)
    Sonntagnachmittag im Cinema Roma, mitten in der Hauptstadt Asmara. Ein ungewöhnlicher Platz für die Übertragung eines Fußballspiels. Nahezu alle 1000 Plätze in diesem Art Deco Bau sind besetzt.
    Großes Kino war einmal in der eritreischen Hauptstadt. Heute dient der prachtvolle Kulturtempel als Abspielstätte von Fußballpartien - gerade läuft ein Spiel der englischen Premier League.
    "Das Kino ist in den 1930er-Jahren gebaut worden. Und vor 15 Jahren wurde es renoviert und bis heute ist es einfach sehr besonders, gut erhalten und alles funktioniert", sagt der Manager des Cinema Roma Berhane Ghebreab - ohne einen Anflug von Nostalgie. Die Italiener haben während ihrer rund 50-jährigen Kolonialzeit Eritrea, vor allem der Hauptstadt, ihren kulturellen Stempel aufgedrückt. Asmara wurde lange als Piccola Roma, als kleines Rom bezeichnet.
    Die Spielübertragungen hier im altehrwürdigen Kino würden vom Alltag und den Sorgen ablenken, meint Berhane Ghebreab.
    "Es ist vergleichbar mit Musikhören, beim Musikhören kann man ja auch abschalten. Gleiches gilt fürs Fußballschauen. Andere vergessen ihre Probleme beim Filmeschauen!"
    Welche Probleme das sein könnten, dazu will sich Ghebreab lieber nicht äußern. Es wird viel geschwiegen in Eritrea. Eritrea kennt keine Meinungsfreiheit. Kritik am Staat wird, wenn überhaupt, nur hinter vorgehaltener Hand geübt. So auch bei den Künstlern.
    Bilder zu den drängenden Themen des Landes fehlen
    Ortswechsel, nicht weit vom Cinema Roma befindet sich eine Kunstgalerie. Drei junge Maler eröffnen gerade ihre Ausstellung: Kohle- und Bleistiftzeichnungen, Kollagen aus Zeitungspapier, auch Bilder in Öl hängen an den Wänden. Die Künstler sprechen gerne über ihre Bilder. Ihre Werke seien expressionistisch, sie malten das, was ihnen in den Sinn kommt.
    Und das sind Landschaftsbilder oder Portraits. Bilder zu den drängenden Themen des Landes fehlen.
    Die Künstler wollen sich lieber nicht zu Politik äußern. Weder in Bildern und schon gar nicht gegenüber Journalisten. Gesprächsversuche gehen ins Leere. Staatskritikern drohen Haftstrafen - oft ohne Prozess, heißt es.
    Ein Bild in der Galerie fällt ins Auge: Ein Mann drischt mit einem Vorschlaghammer auf ein Blech – und das in Neonfarben. Ist das eine Spitze auf sozialistische Propaganda? Die Frage kann hier niemand beantworten - der Künstler sei vor ein paar Monaten geflohen!
    Die einzige Musikschule in Eritrea. Es wird geprobt für den Nationalfeiertag. Im Mai feiert Eritrea 25 Jahre Unabhängigkeit. Barnabas Mebrathu lauscht konzertiert seiner Schülerin. "My heart will go on" sorgt doch für ein bisschen Kino-Stimmung, wenn schon in den Lichtspielhäusern kaum noch Filme gezeigt werden. Barnabas ist der berühmteste Opernsänger des Landes. 13 Jahre hat er in Finnland studiert und gearbeitet, nun ist er wieder hier. Und er redet gerne mit Journalisten. Darf Kunst kritisch sein in Eritrea?
    Man braucht Geduld
    "Ich könnte schon sagen, dass man frei ist in dem was man singt oder sagt. Gleichzeitig muss man berücksichtigen, dass Eritrea ein junges Land ist und man hier zweimal überlegen sollte, was man sagt und singt. Wenn man einfach darauf los redet, könnte das mehr schaden als nützen. Schauen sie sich Länder wie Irak, Syrien, Libyen an. War es richtig dort eine Revolution loszutreten?"
    Barnabas Mebrathu rät also zur Geduld. Dass jeden Monat tausende seiner Landsleute über die grüne Grenze aus dem Land fliehen - dafür hat er jedoch wenig Verständnis.
    "Es ist keine Lösung, dass Deutschland 30.000- 50.000 Migranten aus Eritrea aufnimmt. Viel wichtiger ist die Heimat, hier zu investieren und Bedingungen schaffen, um dieses Land aufzubauen."
    Ein anderer Tag, ein anderer Ort in Asmara. Im Club Nice singen jeden Dienstag zehn junge Sänger um die Gunst einer Jury. Ihre Lieder handeln von Liebe und gebrochenen Herzen. Natürlich nichts Politisches. Zu den Sängern gehört auch ein 21-jähriger Teilnehmer, der seinen Namen lieber nicht im Radio hören möchte. Warum macht er bei dem Wettbewerb mit?
    "Ich wünsche mir einmal ein Star zu werden. Damit ich überall, auf der ganzen Welt Auftritte habe."
    Das sind Träume von Menschen, die keinen Reisepass besitzen. Und das sind fast alle in Eritrea.