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Zwischen Euphorie und Datenangst

Auch wenn die Internetmesse re:publica längst eine Großveranstaltung mit Gästen aus dem In- und Ausland geworden ist, sie hat immer noch etwas von einer Art Happening. In diesem Jahr haben die Veranstalter einen ehemaligen und nun leer stehenden Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg gemietet. Und Hunderte von Teilnehmern pendeln zwischen den Veranstaltungen oder sitzen in kleinen Gruppen ganz locker zusammen, um zu diskutieren. Egal, ob online oder direkt mit dem jeweiligen Nachbarn.

Von Dieter Nürnberger |
    Datenschutz ist in diesem Jahr ein großes Thema, wobei viele sagen, dass dies eigentlich schon immer so gewesen sei. Man zeigt sich mehr oder weniger problembewusst:

    "Ich schaue eigentlich schon, dass ich möglichst nichts preisgebe. Weder in Facebook noch sonst wo. Ich beschränke mich eher auf die verpflichtenden Angaben. - Also, wer sich in Facebook, in Twitter oder auf YouTube rumtreibt, der wird eigentlich nie auf diese Fälle stoßen, die dann gern mal durch die Boulevardmedien gejagt werden. Wo Leute irgendwelche unappetitlichen Partyfotos online stellen und danach ihren Job verlieren. Das halte ich für übertrieben und für einen dämlichen Alarmismus."

    Diskutiert wird das Nutzerverhalten in sozialen Netzwerken ebenso, wie neue Geschäftsmodelle. Dirk Arend beispielsweise arbeitet für eine IT-Sicherheitsfirma. Die Datensicherheit bei sozialen Netzwerken wie Facebook sei eigentlich nur der Anfang einer Entwicklung, die einmal alle Bereiche des Lebens umfassen wird, sagt er. Er interessiert sich besonders für neue Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen, auch hier werde die Digitalisierung weiter voranschreiten. Der Patient und seine Daten:

    "Wenn die Telematiktnfrastruktur aufgebaut wird, ist es natürlich schon spannend, wer Einblick auf die eigenen Gesundheitsdaten hat. Die Krankenversicherung muss hier bestimmt nicht alles wissen, was der Arzt zu mir sagt. Das gibt es ganz gravierende Sachen. Andererseits darf der Datenschutz nicht verhindern, dass wir uns als Gesellschaft neu aufstellen. Dazu gehören auch neue Geschäftsmodelle, beispielsweise im Gesundheitswesen. Es kann ja nicht sein, dass ich meine Röntgenbilder immer noch auf großen Platten ausgehändigt bekomme, die dann im Wäscheschrank ganz unten liegen. Da muss schon ein Umdenken stattfinden."

    Wer hier auf die Messe nach dem Datenschutz fragt, bekommt oft erst einmal die Gegenfrage gestellt, welche Daten eigentlich gemeint seien. Manche wollen lieber nur ein paar Basisdaten von sich preisgeben, andere durchaus mehr transparent sein.

    "Ich persönlich habe nichts dagegen, dass mir interessenbezogene Werbung eingeblendet wird. Das ist ein durchaus legitimes Geschäftsmodell. Ich möchte aber einfach wissen, welche Daten da gesammelt werden, und wer darauf Zugriff hat. Hier könnte man eventuell auch gesetzgeberisch etwas fordern, aber ansonsten, denke ich nicht, dass hier der Gesetzgeber gefragt ist. Das ist einfach Areal, auf dem er nichts zu suchen hat."

    Eine Hauptfrage bei der Datensicherheit ist die Rolle des Staates. Wie weit soll, darf oder muss er regulierend eingreifen.

    Sascha Lobo gehört zu den bekanntesten Bloggern im Internet. Der Mann mit dem markanten roten Irokesenhaarschnitt gilt für viele als Guru der Szene. Er sagt, die Datenschutzdiskussion werde immer mehr zur zentralen Frage des Internets werden.

    "Je mehr von den eigenen oder auch personenbezogen Daten ein Nutzer selbst transparent einsehen und auch kontrollieren kann, desto besser. Am Ende dieses Prozesses steht dann ein selbstkontrollierter, digitaler Raum, wo die eigenen Daten drin sind. Wo ich andere Instanzen jeweils die Erlaubnis geben kann, damit umzugehen oder auch nicht. Und diese Erlaubnis auch wieder entziehen kann."

    Sascha Lobo hält aber den Begriff Datenschutz für wenig geeignet, er spricht lieber von Datenkontrolle. Und jeder Nutzer sollte einmal die Möglichkeit haben, diese Kontrolle eigenständig auszuüben.