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Zwischen Familienbäumen und Freundesbäumen

Grab oder Feuerbestattung?Oder doch eine Alternative? Immer mehr Menschen in Deutschland lassen sich in einem Wald begraben. Einer dieser Wälder ist der Friedwald Fürstenwalde im Landkreis Oder-Spree in der Nähe Berlins.

Von Andrea Handels | 20.11.2011
    Es ist ein wunderschöner Novembertag: Keine Wolke am Himmel, in der Sonne leuchten die Bäume gelb und orange. Auf dem kleinen Parkplatz mitten im Wald stehen ein paar Autos. Gleich wird hier eine Frau bestattet, nur 49 Jahre ist sie alt geworden.

    Die Trauernden machen sich schweigend auf den Weg durch den Wald, der Förster trägt die Urne voran. Nach vielen verschlungenen Pfaden sind wir angekommen an der großen Eiche, an der die Tote bestattet werden soll. In den Boden ist ein Loch gegraben, drum herum sind Tannenzweige gelegt. Einer der Trauergäste spielt Geige, während der Förster die kompostierbare Urne in den Boden lässt:

    Nachdem die Freunde und Verwandten gegangen sind, schließt Förster Thomas Weber das Grab.

    "Ich mach jetzt hier den Grabschmuck weg, den wir um die Graböffnung legen und dann werd ich den Erdpropfen mit draufmachen, so das die Stelle wo die Urne beigesetzt wurde, genauso aussieht wie vorher. Also wir gleichen dem Waldboden wieder an, sowie hier, das werden Sie gleich sehen, so, jetzt wird das festgemacht und dann würde jeder Waldspaziergänger der hier vorbeikommt, gar nicht sehen, dass hier ne Urne beigesetzt ist. Das ist auch so gewollt, die Menschen wissen wo ihre Angehörigen beigesetzt sind, das ist gut, aber jeder Waldspaziergänger, für den ist das uninteressant, wo eine Urne beigesetzt ist."

    An dem Baum hängt ein kleines Messing-Schild mit dem Namen der Verstorbenen und einem Sinnspruch. Das ist das Einzige, was auf die Tote hinweist. Rund 500 Menschen sind im Fürstenwalder Stadtforst schon auf diese Weise bestattet worden. Förster Thomas Weber meint, der Tod fühle sich hier leichter an als auf einem gewöhnlichen Friedhof.

    "Ich glaube, dass der Wald so’n bisschen was von der Enge nimmt und einfach einen weiten Raum bietet, und dass dadurch auch die Atmosphäre gelöster ist, und nicht nur so hinterm Sarg, groß, und irgendwie erdrückt’s einen fast, sondern hier ist einfach die Bäume ganz automatisch wird der Blick in den Himmel gezogen, und manchmal so wie jetzt im Herbst ziehen Kraniche oder Gänse über einen weg oder ein Krähenschwarm. Das Leben umfängt einen so im Vollen, und nimmt vielleicht ein bisschen was von dem Schmerz."

    Thomas Weber hört sich schon fast an wie ein Seelsorger, gekleidet ist er aber wie ein Förster: ganz in Grün, mit Hut und dicken Stiefeln. Nach der Bestattung hat er heute noch eine Waldführung geplant, für Menschen, die sich überlegen, ob sie auch einmal hier liegen möchten. Man trifft sich in einer offenen Holzhütte mit Lagerfeuer. Über 20 Leute sind gekommen, viele sind um die 70, manche haben ihre erwachsenen Kinder dabei.

    "Ich darf Sie hier ganz herzlich begrüßen im Friedwald Fürstenwalde, im Friedhof der Stadt Fürstenwalde. Mein Name ist Thomas Weber. Ich werde mit Ihnen hier diesen kleinen Rundgang machen durch unseren Friedwald ... ... ."

    Trotz des schönen Waldes und des schönen Wetters macht sich eine etwas beklommene Stimmung breit, als wir durch den Wald gehen. Es ist ja auch nicht alltäglich, sich so intensiv mit seinem eigenen Tod zu befassen, besonders wenn er bald zu erwarten ist. Ob man lieber an einer verborgenen Stelle oder einer Lichtung begraben werden will, an einer Eiche oder einer Fichte, im Kreise seiner Familie, nur als Paar oder an einem Gemeinschaftsbaum mit Fremden – das alles sind Fragen, die den Tod sehr greifbar machen. Welcher Baum zu haben ist, zeigt ein farbiges Band, das um den Stamm gelegt ist.

    Eine Stunde lang laufen wir durch den Wald, schauen uns die Bäume an, auch verschiedene Urnenmodelle, und erstaunlicherweise hellt sich die Stimmung am Ende etwas auf, vielleicht ist das dem Charisma des Försters zu verdanken.

    "Lassen Sie sich noch viel Zeit! ... Als Asche werden Sie uns nicht wiedererkennen ... nee das stimmt, da ist zumindest der Bart ab!"

    Manche haben sich nach diesem besonderen Waldspaziergang schon entschieden.

    "Wir sind ja nun beide fast 70, und dann überlegt man schon wie man’s will, ich wollt gern unter die grüne Wiese, das wollt mein Mann nicht und hat das dann hier entdeckt. Das ist was für uns was wir uns beide vorstellen können. Und dann haben unsere Kinder keine Probleme das Ganze Theater mit Grabpflege. Wissen Sie, die Menschen hat man im Herzen, da muss ich nicht unbedingt dahin und 26-30 Jahre Grab pflegen und gießen, wenn ich das anders machen kann. Für uns ist das die Variante und die Lösung!"

    Förster Thomas Weber selbst hat sich noch keinen Baum gesichert, überlegt aber, für sich und seine Eltern einen Familienbaum auszuwählen. Er, der in seinem Beruf ursprünglich nur mit Holz und Tieren zu tun hatte, genießt sichtlich seine neue Rolle im Friedwald.

    "Das ist für mich schon ne schöne Aufgabe, Menschen so nahe sein zu können, dieses Angebot in diesem wunderbaren Wald zu geben. Lässt mich natürlich über Leben und Tod neu nachdenken und dankbar sein für die Zeit, die ich einfach habe. So ist jeder Tag eigentlich schön."