Archiv


Zwischen Funktion und Schönheit

Statt auf dem Berg, standen Sie in der Garage. Zur Einweihung der St. Moritz Designer Galerie spielten Honoratioren fünf Alphörner. Treffend kamen hier das Alte und das neue, das Wohlgeformte mit dem Nützlich-Formlosen zusammen. Alphörner zu Automobilen. Wer es anspruchsvoller haben will: Kulturatavismus in technisierter Zeit.

Von Michael Köhler |
    Thema des diesjährigen Treffens war nämlich, das dumme, das unsinnige Design wie es uns auf Schritt und Tritt begegnet in. Der Kölner Design -Professor und Präsident der Gesellschaft Michael Erlhoff:

    Nehmen sie so ein wunderbares Beispiel: Mailänder Flughafen, die Frauentoilette - was ich nicht weiß, aber eine Kollegin sehr gut sagen konnte - da gibt es gar kein Zeichen an den Türen, dass die Tür besetzt ist, die Tür ist geschlossen, alle warten und niemand kommt rein. So gibt es eine ganze Menge simple Beispiele. Wenn wir mal bei der Toilette bleiben, man kann sagen, warum gibt es - Frauen brauchen normalerweise länger, aus vielen, vielen Gründen - warum gibt es nur genauso viel Toilettenraum für Frauen wie für Männer? Das ist völliger Quatsch.

    Design erstreckt sich aber nicht nur auf die Objektwelt im engeren Sinne, sondern auch die Begegnung von Benutzeroberflächen wie bei Mobiltelefonen oder Fernbedienungen, im so genannten Interface-Design.

    Einfacher, nachvollziehbarer und nötiger sind Design-Lösungen für den Alltag.
    Ein Signalsystem auf dem Flughafen etwa muss für die unterschiedlichsten Nutzer eindeutig sein. Da kommen dann Schrift-Designer und Zeichenspezialisten wie Erik Spiekermann zum Zug, der nach dem Brand auf den Düsseldorfer Flughafen eine neue Beschilderung machte.

    Die verwendeten Zeichen und Schriften richten sich stark nach ihrem Einsatzort. Eine gotische Majuskel erwatet man in der Kirche oder auf einer Urkunde, aber nicht am Flughafen.

    Vieles sagt von vornherein schon: Ich bin Poesie, ich bin eine Zeitung, ich bin ein Schild, ich bin eine amtliche Mitteilung, Makro und Mikro, also sowohl durch die Anordnung, Farbe, Größe und so weiter, also die Schrift ist der Klang, der Text ist die Musik.

    Der Ulmer Schriftexperte Spiekermann erinnert daran, dass wir viele Zeichen kulturell erlernt haben. Wir wissen eben, dass die Tür mit dem Zeichen für einen Mann drauf, eine Herrentoilette bedeutet, und nicht etwa ein lebendiger Mann dahinter steht.

    Häufig stehen die Designer aber auch vor ganz praktischen Aufgaben, eine neues Produkt oder einen Innenraum zu gestalten. Yasmine Mahmoudieh hat zahlreiche Hotelprojekte realisiert und eröffnet in Kürze eine Ausstellung zum Thema "Die fünf Sinne im Hotel", aber nicht, dass die Sinne dort quasi auf Urlaub geschickt würden, sondern sie sollen besser berücksichtigt werden.

    Die Architektin regt sich auf, wenn zumeist die Beleuchtung in Räumen nicht stimmt.

    Auch für die in der Schweiz tätige Britta Pukall sind Anwendungen, die das Verhalten ändern wichtig. Wo sonst nur Ergonomie und Funktionalität im Vordergrund stehen, wie etwa der Medizintechnik, da führt sie wieder was Menschliches ein.

    Draeger Medical, für die wir Exklusiv-Designer sind, machen wir Inkubatoren für Frühgeborene, Wärmebettchen und so. Da ist es ganz wichtig, dass wir die Optik, abgesehen von super-moderner Funktionalität an eine Wiege angelehnt haben. Das Ding sieht also viel weniger beängstigend aus und das ist absolut wichtig, vor allen Dingen für die Eltern, das ist ja logisch, aber auch für das Personal ist das wichtig, dass die auch merken hier geht es um Menschen, ganz kleine Menschen, und so.

    Die wenigen guten Beispiele zeigen, dass es von den dämlichen zu viele gibt. Der Fitness-Kult hat dahin geführt, dass handelsübliche Bügeleisen inzwischen wie pinkfarbene Schlitt- oder Turnschuhe aussehen, ihnen ähneln.

    Auch über den gängigen Trend, riesige Innenstadt-Hotels aussehen zu lassen wie spartanische Luxus-Klöster, kann sich Britta Pukall nur amüsieren.

    Auf den Tellern, Zitronengras und Tunfisch - Carpaccio, unter den Tellern mundgemalter Shintoismus. Statt des Zen - Groove mit Gerbera-Blüte in viereckiger Vase auf rhythmisch geformtem Sand des Frühstückstisches, hält sie eine Verankerung im Lokalen für sinnvoller. Weil alles gestaltet ist, und Kultur - einfach gesagt - heißt, sich eine Form zu geben, wird dieser Bereich boomen. Da ist sich Design-Professor Erlhoff sicher.

    Ich würde sagen, der wirkliche Trend ist in der Entwicklung neuer Dienstleistungsstrukturen und neuer Prozesse. Und da können wir auch wirklich Arbeit schaffen, und da schaffen wir auch eine Verbesserung sozialer und geselliger Qualität.