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Zwischen Hoffen und Bangen

Den Hiobsbotschaften rund um die europäische Schuldenkrise konnte sich der DAX im vergangenen Jahr nicht entziehen. Am Ende stand ein Minus von rund 15 Prozent. Was das Börsenjahr 2012 bringt, darüber gehen die Meinungen der Analysten weit auseinander.

Von Stefan Wolff | 02.01.2012
    Der frühere Vorstand der Deutschen Bank, Herman-Josef Abs hatte sich stets gerühmt, niemals mit seinen Prognosen daneben zu liegen, was allerdings daran lag - und das räumte Abs gern ein, dass der Bankier niemals irgendwelche Prognosen abgab. Eine solche Zurückhaltung ist den Analysten, Crashpropheten und Aktienjublern von heute nicht gegeben, weshalb auch für 2012 jede Menge Vorhersagen getroffen wurden. Wie immer nach einem Krisenjahr sind die Prognosen dabei weit gefächert. Von einem Zusammenbruch auf 2.000 Dax-Punkte bis hin zu einer Börsenrally, die den Dax auf zehntausend Punkte führen soll, ist alles drin.

    Den weniger marktschreierischen Vorhersagen ist eines gemein. Sie fallen vorsichtig aus und sind recht zurückhaltend. Schließlich prägt die Politik die Börse und politische Börsen gelten als unberechenbar. Es ist die Schuldenkrise vieler EU-Staaten, die die Märkte auch weiter begleiten wird. Sollten die Ratingagenturen zu Jahresbeginn die Bonität des Euro-Raums herabstufen, sollte ein weiteres Euro-Mitglied den Rettungsschirm benötigen, würde dies die Kurse belasten. Der Ökonom Martin Hüfner glaubt deshalb:

    "Die größte Hürde ist wieder Vertrauen in den Euro hineinzubringen. Ich glaube, wir können das, wir haben in diesem Jahr gelernt, wo die Schwachpunkte liegen, zwei Jahre haben die Regierungen versucht, den Euro zu retten, haben es nicht hin bekommen."

    Doch mit dem EU-Gipfel Anfang Dezember 2011 könnte das Fundament für in Zukunft solidere Staatsfinanzen gelegt worden sein. Das würde Entspannung bringen, ist aber nur ein erster Schritt. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank ist optimistisch:

    "Meine Prognose ist ziemlich eindeutig: Wir werden die Eurokrise letztlich doch in den Griff bekommen. Und wenn uns das gelungen ist, dann wird der Aktienmarkt nahezu dahin zurückkehren können, wo er bis Anfang Juli 2011 war, und dann steht letztlich beim Dax wieder eine sieben an erster Stelle."

    "Ich wäre zufrieden, wenn der Dax am Ende 2012 auf dem jetzigen Niveau wäre. Ich wäre aber auch nicht überrascht, wenn er etwas tiefer läge,"

    meint dagegen Martin Hüfner.

    Auch wenn die Aktienhändler in den vergangenen Monaten nur wenig auf einzelne Unternehmen geschaut haben, bleiben die Firmengewinne natürlich ein entscheidender Faktor an der Börse. Volkswirte rechnen damit, dass die Wirtschaft weltweit abkühlen wird. Wo deutsche Unternehmen in Zukunft Geld verdienen sollen - der Börsenexperte Ascan Iredi:

    "Bei den Autos steht wohl momentan eher noch ein weiterer Rückgang an. Deshalb glaube ich nicht, dass die so ganz früh dabei sein werden. Es werden die üblichen frühzyklischen Branchen sein und da trau ich auch unseren speziell einheimischen Einzelhandelsunternehmen gar nicht so sehr viel zu. Zumal wir ja auch alle wissen, dass Deutsche sich sehr vorsichtig verhalten in ihrem Konsumverhalten. Man sieht es auch jetzt im Weihnachtsgeschäft wieder und entsprechend kann man da nicht allzu viel Hoffnung reinsetzen. Die Exportindustrie freut sich nach wie vor über die hervorragend gefüllten Auftragsbücher. Eigentlich ist alles in Ordnung für das nächste Jahr - was die Basis angeht - trotzdem, die Vorzeichen werden auch für die nächsten Quartale noch rot sein."

    22 der 30 im Deutschen Aktienindex geführten Unternehmen haben ihre Gewinnziele zurück geschraubt. Das heißt aber nicht, dass die Gewinne nun sinken. Die meisten Firmen gehen immer noch davon aus, ihre 2011 erzielten Einnahmen übertreffen zu können. Das könnte Luft schaffen für weiter steigende Kurse, denn weiteres Wachstum ist nach Meinung von Ascan Iredi noch nicht in die Kurse eingearbeitet:

    "Darin liegt ja auch schon wieder eine Hoffnung für das nächste Jahr, dass eben, auch wenn die Wirtschaft jetzt erst einmal schlechter läuft, die Börse bereits wieder zukünftige Zyklen vorwegnimmt und das kann tatsächlich nach oben sein. Allerdings dauert es bis dahin wahrscheinlich noch etwas und deshalb wird es aus meiner Sicht nicht eben gleich im Januar los gehen, sondern noch eine Weile dauern, bis tatsächlich wieder die Ampel auf grün stehen kann."

    Allerdings gibt es genügend Ereignisse, die die Börsenampel wieder auf rot schalten könnten. Welche das sind, ist offen. Anfang 2011 hatte wohl kein Anleger die Aufstände in Nordafrika und Arabien, die Kernschmelze in Fukushima oder den Börsencrash im Sommer auf dem Radarschirm gehabt. Als sicher gilt nur: Auch 2012 wird an der Börse wohl von vielen Unsicherheiten geprägt sein.