"Kein Licht" – "Wasser ist aus, Wasser ist woanders, und: nein, auch das Leben kommt nie zurück, wenn es einmal gegangen ist. Das Wasser ist für uns verloren, im Grund verloren gegangen, obwohl es überall ist, es hat sich überall verteilt. Aber wir haben nichts davon. Dafür erzeugen wir ständig etwas ohne Ergebnis. Wir spielen doch jetzt schon seit Stunden! Unsere Töne sind jetzt die große Leere. Unsere Töne sind das Leck."
Zu Beginn ist es vollständig dunkel auf der Bühne, und auch der Text von Elfriede Jelinek ist wenig erhellend. Kryptisch ist er, verstörend allemal. Der hohe Sound eines Geigerzählers liegt permanent über der Szene. Der kleine Trupp eines zerstörten Orchesters hat sich offenbar im Chaos aus Papier und Schlamm eingerichtet, ein Fahrrad betriebener Generator liefert funzeliges Licht, eine Japanerin klebt Suchbilder, einmal rollt eine Riesenwelle akustisch über alle hinweg. Es ist die Situation nach der Katastrophe von Fukushima. Die Musikerinnen können ihre Töne nicht mehr hören, sie sind vielleicht aber auch gar nicht lebendig, wirken manchmal wie Untote, manchmal wie Clowns.
Komik, Katastrophe, Kunst und eine merkwürdige Kälte bilden die Konstanten in diesem kurzen fünfzigminütigen Text, dem sonst alles abhanden gekommen scheint, auch die Sicherheit über den Sinn von Worten. Vor dem Hintergrund dieser nuklearen Katastrophe lässt sich auch Theater nur als implodierte Wort-Wüste denken, oder als Musik aus Nicht-Tönen, oder als Albtraum: "Brennen für die Kunst" heißt es einmal sehr grausam. Karin Beiers Arbeit unterstreicht ästhetisch, in ähnlichen formalen Mitteln, dass es sich einmal mehr um die Auseinandersetzung Elfriede Jelineks mit menschlicher Hybris wie in "Das Werk" oder "Ein Sturz" handelt. Eine überwältigende Düsternis geht, trotz Hokusai-Rap und Kinder-Abzählreim, von dieser Inszenierung aus, als ob sie alle Verlorenheit und Ratlosigkeit nach Fukushima in sich aufgesogen hätte.
Demgegenüber beginnt "Demokratie in Abendstunden" ganz leicht. Michael Wittenborn als schiefschultriger Orchesterwart baut ein paar Instrumente auf, ein Orchester versammelt sich, eine kleine Übe-Kabine im betonfarbenen Proberaum wird als Raucherecke missbraucht, es gibt Eitelkeiten von und Eifersüchteleien unter Musikern und einen ersten Ausbruch des Dirigenten Wolfgang Pregler:
"Glauben Sie wirklich die wissen, was Musik ist? Dieses Gerede, das ist Konzentrationsvernichtung! Demokratie im Orchester? Die größte Unwahrscheinlichkeit, dass das Qualität hat, was alle finden."
Hier klingt schon das Thema der Text-Oper an, die Gedanken von Bernhard, Beuys und Bolz ebenso enthält wie von Orson Wells, Stéphane Hessel oder dem Unsichtbaren Komitee. Dem Zuschauer werden so vehement Demokratie-Begriffe um die Ohren gehauen, wie ein Sturm effektvoll die Notenblätter durcheinander bläst.
Demokratie muss man richtig üben, meinte schon Peter Sloterdijk, und was jetzt passiert, ist wirklich eine "Kakophonie", wie das Stück untertitelt heißt. Der Dirigent gibt Stab und Verantwortung ab, und das mündig gewordene Volk landet sehr schnell bei der Gewaltfrage:
"Noch zu warten ist Wahnsinn. Die Katastrophe ist nicht das, was kommt, sondern das, was da ist." – "Ich denke, es ist besser, gar nichts zu tun. Manchmal ist Nichtstun die intensivste Gewalt." – "Es geht darum, jetzt Initiative zu ergreifen. Die Freiheit wird euch nicht geschenkt, die muss man sich erkämpfen, auch mit Gewalt, ja!" – "Dreck Dreck Dreck, Sieg Sieg Sieg, wir haben euch was mitgebracht, Hass Hass Hass …"
Der Zitate-Schlagabtausch wird zur Hass-Fuge in treibenden Rhythmen und mündet in ein furioses Revolutions-Stakkato. Man erfährt nicht, ob Karin Beier zum kollektiven Ungehorsam aufrufen will und findet, die nächste Revolution solle von Köln ausgehen, oder ob sie – zu viel Meinungen, zu viel Chaos, auch Farbbeutelattacken – davor warnen möchte. Am Ende bringt sie das Orchester jedenfalls wieder zum ordentlichen Spielen. Und hat auch ihr persönliches Aufklärungsprojekt um eine neue Facette bereichert. In Köln wird sie darüber hinaus als Erfinderin eines neuen Genres, der toll choreographierten, zeitkritischen Polit-Fabel aus Fremdtexten, in die Geschichte eingehen.
Linktipp:
Schauspiel Köln
Zu Beginn ist es vollständig dunkel auf der Bühne, und auch der Text von Elfriede Jelinek ist wenig erhellend. Kryptisch ist er, verstörend allemal. Der hohe Sound eines Geigerzählers liegt permanent über der Szene. Der kleine Trupp eines zerstörten Orchesters hat sich offenbar im Chaos aus Papier und Schlamm eingerichtet, ein Fahrrad betriebener Generator liefert funzeliges Licht, eine Japanerin klebt Suchbilder, einmal rollt eine Riesenwelle akustisch über alle hinweg. Es ist die Situation nach der Katastrophe von Fukushima. Die Musikerinnen können ihre Töne nicht mehr hören, sie sind vielleicht aber auch gar nicht lebendig, wirken manchmal wie Untote, manchmal wie Clowns.
Komik, Katastrophe, Kunst und eine merkwürdige Kälte bilden die Konstanten in diesem kurzen fünfzigminütigen Text, dem sonst alles abhanden gekommen scheint, auch die Sicherheit über den Sinn von Worten. Vor dem Hintergrund dieser nuklearen Katastrophe lässt sich auch Theater nur als implodierte Wort-Wüste denken, oder als Musik aus Nicht-Tönen, oder als Albtraum: "Brennen für die Kunst" heißt es einmal sehr grausam. Karin Beiers Arbeit unterstreicht ästhetisch, in ähnlichen formalen Mitteln, dass es sich einmal mehr um die Auseinandersetzung Elfriede Jelineks mit menschlicher Hybris wie in "Das Werk" oder "Ein Sturz" handelt. Eine überwältigende Düsternis geht, trotz Hokusai-Rap und Kinder-Abzählreim, von dieser Inszenierung aus, als ob sie alle Verlorenheit und Ratlosigkeit nach Fukushima in sich aufgesogen hätte.
Demgegenüber beginnt "Demokratie in Abendstunden" ganz leicht. Michael Wittenborn als schiefschultriger Orchesterwart baut ein paar Instrumente auf, ein Orchester versammelt sich, eine kleine Übe-Kabine im betonfarbenen Proberaum wird als Raucherecke missbraucht, es gibt Eitelkeiten von und Eifersüchteleien unter Musikern und einen ersten Ausbruch des Dirigenten Wolfgang Pregler:
"Glauben Sie wirklich die wissen, was Musik ist? Dieses Gerede, das ist Konzentrationsvernichtung! Demokratie im Orchester? Die größte Unwahrscheinlichkeit, dass das Qualität hat, was alle finden."
Hier klingt schon das Thema der Text-Oper an, die Gedanken von Bernhard, Beuys und Bolz ebenso enthält wie von Orson Wells, Stéphane Hessel oder dem Unsichtbaren Komitee. Dem Zuschauer werden so vehement Demokratie-Begriffe um die Ohren gehauen, wie ein Sturm effektvoll die Notenblätter durcheinander bläst.
Demokratie muss man richtig üben, meinte schon Peter Sloterdijk, und was jetzt passiert, ist wirklich eine "Kakophonie", wie das Stück untertitelt heißt. Der Dirigent gibt Stab und Verantwortung ab, und das mündig gewordene Volk landet sehr schnell bei der Gewaltfrage:
"Noch zu warten ist Wahnsinn. Die Katastrophe ist nicht das, was kommt, sondern das, was da ist." – "Ich denke, es ist besser, gar nichts zu tun. Manchmal ist Nichtstun die intensivste Gewalt." – "Es geht darum, jetzt Initiative zu ergreifen. Die Freiheit wird euch nicht geschenkt, die muss man sich erkämpfen, auch mit Gewalt, ja!" – "Dreck Dreck Dreck, Sieg Sieg Sieg, wir haben euch was mitgebracht, Hass Hass Hass …"
Der Zitate-Schlagabtausch wird zur Hass-Fuge in treibenden Rhythmen und mündet in ein furioses Revolutions-Stakkato. Man erfährt nicht, ob Karin Beier zum kollektiven Ungehorsam aufrufen will und findet, die nächste Revolution solle von Köln ausgehen, oder ob sie – zu viel Meinungen, zu viel Chaos, auch Farbbeutelattacken – davor warnen möchte. Am Ende bringt sie das Orchester jedenfalls wieder zum ordentlichen Spielen. Und hat auch ihr persönliches Aufklärungsprojekt um eine neue Facette bereichert. In Köln wird sie darüber hinaus als Erfinderin eines neuen Genres, der toll choreographierten, zeitkritischen Polit-Fabel aus Fremdtexten, in die Geschichte eingehen.
Linktipp:
Schauspiel Köln