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Zwischen Magie und Märchen

Es ist eine Geschichte, die nicht enden will, ein weites Netz aus Details und schillernden Beschreibungen: Gekonnt verknüpft Salman Rushdie in seinem neuen Roman "Die bezaubernde Florentinerin" Historie, Magie und Märchen: eine Reise zwischen Orient und Okzident - mit dem Fazit: "Es ist nicht der Fluch der menschlichen Rasse, dass wir uns so sehr voneinander unterscheiden, sondern dass wir uns so ähnlich sind."

Von Shirin Sojitrawalla |
    Wer dieses Buch bis zum Ende durchgelesen hat, fühlt sich erschöpft, um nicht zu sagen, ihm brummt der Schädel. Die überbordende Erzähllaune, die sinnenfreudige Detailgenauigkeit, die meisterlichen Abschweifungen, vielen Erzählstränge, Parallelhandlungen mitsamt ihrer blutigen Schlachten und irrsinnigen Lieben - ganz zu schweigen von den vielen fremden, langen Namen - betäuben einem die Sinne.

    In seinem neuesten Roman "Die bezaubernde Florentinerin" holt Salman Rushdie weit aus und nistet sich ein in der Welt der Historie, der Magie und des Märchens. Und um was geht es? Nichts schwieriger zu beantworten als das.

    Die Handlung wird in Gang gesetzt durch einen gelbhaarigen Florentiner, der unter vielen Namen ans andere Ende der Welt reist: Niccolò Vespucci nennt er sich, Mogor dell'Amore, zu Deutsch Mogul der Liebe, aber auch Ucello di Firenze. Er ist ein Luftikus, ein Schelm, ein Spitzbube, ein Schwätzer auch und vieles mehr. Auf Umwegen gelangt er an den Hof des indischen Mogulherrschers Akbar. Der residiert in Fatepuh Sikri, 40 Kilometer südlich von Agra gelegen. Es ist das Jahr 1572. Erstaunt nehmen die Inder den Fremden in Empfang, doch der grüblerische Akbar findet Gefallen an dem eigenartigen Florentiner, und als dieser ihm ankündigt, sie beide seien verwandt, lässt er sich seine ausufernde Geschichte gern erzählen.

    "Es war Liebe auf den ersten Blick. Des Herrschers Puls raste wie bei einem verknallten jungen Ding, sein Atem flog, Farbe schoss ihm in die Wangen. Wie attraktiv dieser junge Mann doch war, wie selbstbewusst er wirkte, wie stolz. Außerdem hatte er etwas an sich, das man mit Augen allein nicht erkennen konnte: ein Geheimnis, das ihn faszinierender machte als hundert Höflinge. Wie alt war er? Der Herrscher konnte Farangi-Gesichter schlecht einschätzen. Er mochte ebenso gut fünfundzwanzig Jahre jung wie dreißig Jahre alt sein, älter als unsere Söhne, dachte der Herrscher, aber zu alt, einer unserer Söhne zu sein, um sich dann zu fragen, warum ihm ein solcher Gedanke in den Sinn kam. War der Fremde eine Art Hexenmeister, sinnierte er, schlug er ihn in seinen mysteriösen Bann? Nun, auf das Spiel konnte er sich einlassen, daran war nichts Schlimmes, schließlich war er zu gewieft, um sich aus dem Hinterhalt erstechen zu lassen oder von einem vergifteten Trank auch nur zu probieren. Er wollte seinen Gefühlen nachgehen, wollte feststellen, was sie hervorgerufen hatte. Ein Leben der Macht wird notwendigerweise mit einem völligen Mangel an Überraschungen bestraft. Ausgeklügelte Systeme und Vorrichtungen sorgten dafür, dass der Herrscher niemals überrascht wurde, und doch hatte ihn dieser Mogor dell'Amore überrumpelt, ob nun willentlich oder nicht. Allein aus diesem Grund verdiente er, dass man ihn besser kennenlernte."

    Der gelbhaarige Florentiner erweist sich als legitimer Nachfolger von Scheherazade, er kommt ganz einfach nicht zum Ende seiner Geschichte. Alter Trick, möchte man meinen, doch er funktioniert auch in diesem Fall.

    Die Geschichte, die er erzählt, setzt lange vor seiner Zeit ein, und auch sie verbindet West und Ost, Europa und Asien. Im Mittelpunkt steht die bezaubernde Florentinerin selbst, Prinzessin Schwarzauge, Qara Köz, die schönste Frau der damals bekannten Welt. Sie schlägt alle in ihren Bann, und auch Rushdie scheint ganz berauscht von dieser Frau, die so schön war, dass man es kaum aushalten konnte. Eine Lichtgestalt, ein Fantasywesen, das den Argwohn der Frauen und die Ehrerbietung der Männer auf sich zieht. Rushdie beschreibt sie im Märchentonfall orientalischer Erzählkunst, schert sich nicht um Plausibilität und Realismus.

    Dazu passt es fein, dass der Herrscher Akbar selbst unter all seinen Frauen eine Lieblingsfrau hat, die nur in seiner Fantasie existiert. Das stört ihn nicht weiter, ist sie ihm doch einfach die Liebste in seinem Harem. Die Szenen, in denen Rushdie sich ausführlich über den Frauenhaushalt auslässt, sind köstlich zu lesen. Lebensklug hetzt er Eifersüchteleien auf die Frauen los wie Kampfhunde, schildert ihre Intrigen und Ränkespiele, ihr Gekeife, aber auch ihren Sachverstand und Einfallsreichtum. In seinem Roman sind sie die Trägerinnen des Wissens, bewahren das Gedächtnis der Welt, hüten die Erinnerungen wie wertvolle Diamanten.

    Das wäre alles nicht auszuhalten, würde Rushdie seine Schilderungen nicht immer wieder in feinem Spott und listiger Ironie tränken. Immer macht er sich auch lustig über das, was er sich ausdenkt. Gerade Akbar, der Herrscher, gerät ihm zur feinen Karikatur seiner selbst. Etwa, wenn er ihn beschwipst über die Frauen räsonieren lässt:

    "'In der Kunst, ihre Zähne und Kleider, ihre Fingernägel und ihren Leib zu tönen, zu färben, zu bemalen und zu schmücken, sollte eine Frau unvergleichlich sein', sagte der Herrscher, dem die Worte vor lauter Lust nur noch träge über die Lippen kamen. Wein wurde in goldenen Glaskelchen gereicht, und er trank mit großen, unklugen Schlucken. Man brachte eine Pfeife, und bald umwölkte Opiumrauch seine Pupillen. Die Konkubinen waren näher gerückt, kreisten enger um sie herum, begannen mit ihren Leibern, den Herrscher und seinen Gast zu streifen. In der Gesellschaft des Herrschers war man für einen Tag selber Herrscher. Seine Privilegien wurden zu den eigenen Vorrechten. 'Eine Frau sollte wissen, wie man Musik auf Gläsern spielt, die unterschiedlich mit diversen Flüssigkeiten gefüllt wurden', lallte der Herrscher. 'Sie sollte Buntglas in den Boden einsetzen können, sollte wissen, wie man ein Bild rahmt und aufhängt, wie man eine Halskette macht, einen Rosenkranz, eine Blütengirlande und wie man Wasser aus einem Aquädukt oder einer Zisterne holt. Sie sollte sich mit Düften auskennen. Und mit Zierrat für die Ohren. Sie sollte schauspielern, sollte Theaterstücke aufführen können, sollte ihre Hände flink und präzise zu gebrauchen wissen, sollte kochen, Limonade oder Sorbet machen, Schmuck tragen und einem Mann den Turban binden. Und sie sollte natürlich Zauberei beherrschen. Eine Frau, die sich in diesen wenigen Dingen auskennt, kann es fast mit jedem ignoranten, ungeschlachten Mann aufnehmen.'"

    Es ist natürlich alles andere als ein Zufall, dass sich Rushdie gerade Akbar als schillernde Figur ausgesucht hat, jenen Mogulherrscher also, der bis heute in Indien verehrt wird, ein Freidenker; einer, der die Schranken zwischen den Religionen in seinem Herrschaftsbereich lockerte; einer, der die schönen Künste liebte und sich in Fatepuh Sikri, der neuen Hauptstadt seines Mogulreiches, eine der schönsten Anlagen des Landes erbauen ließ.

    Bei Rushdie ist er ein zu Depressionen neigender und von Selbstzweifeln geplagter Mann, der ohne seine vielen Berater und Minister und natürlich auch ohne die vielen Frauen um ihn herum gar nicht wüsste, wie er regieren sollte. Rushdie nimmt das historische Vorbild und formt es nach Gutdünken in eine Romanfigur um. Doch trotz dieser und anderer historischer Figuren in dem Roman, ist das Buch kein historischer Roman, zumindest kein lupenreiner. Sagen wir so: Rushdie spielt mit dem Genre des historischen Romans, das er nicht nur ins Reich der Fantasie überführt, sondern dem er auch mit allen Erzähltechniken, die man sich nur ausdenken kann, zu Leibe rückt.

    Das ist nicht neu für Rushdie, ist er doch in seinem berühmtesten Roman "Mitternachtskinder" schon ähnlich vorgegangen und in späteren Werken auch. Die Geschichte der übersinnlich schönen Prinzessin verknüpft er mit der dreier Florentiner, deren Lebenswege auseinandergehen, nur um sich später auf märchenhafte Weise wieder zu kreuzen. Das gibt Rushdie die Gelegenheit, die Seiten, also die Länder zu wechseln. Mal befinden wir uns in Italien, dann wieder in Indien und immer mal wieder auch irgendwo dazwischen.

    Rasant führt der Roman den Leser über den Globus. In Florenz begleitet er die Lebensgeschichte von Antonio, Niccolò und Ago. Niccolò ist kein geringerer als Machiavelli. Ihre Lebensgeschichten breitet Rushdie vor uns aus, indem der gelbhaarige Italiener im fernen Indien von ihnen erzählt. Dabei lässt er die Geschichte der Stadt Florenz Revue passieren; erzählt von historisch verbürgten Aufständen, Machtspielen und vielem, was so wohl nicht stattgefunden hat.

    "Die drei Jungen verbrachten mittlerweile fast jeden Tag im Wald, kletterten auf Bäume, verspritzten Alraunensamen, erzählten sich verrückte Geschichten über ihre Familien und beklagten sich über die Zukunft, um nicht über ihre Angst reden zu müssen, denn kaum war der Pazzi-Aufstand niedergeschlagen worden, hielt die Pest Einzug in Florenz, und man hatte die drei Freunde zur eigenen Sicherheit aufs Land geschickt. Bernardo, Niccolòs Vater, blieb in der Stadt und steckte sich an, doch als sich erwies, dass er zu den wenigen gehörte, die diese Krankheit überlebten, erzählte sein Sohn den Freunden, das habe er allein dem magischen Umgang seiner Mutter Bartolomea mit Maismehl zu verdanken. 'Wenn wir krank werden schmiert sie uns mit Grießbrei ein‘, verkündete er mit gewichtiger Miene, flüsterte aber, damit ihn die Waldkäuzchen nicht hörten. 'Je nach Krankheit nimmt sie entweder gewöhnliche gelbe Polenta oder kauft, für ernstere Fälle, das weiße Friuli-Mehl ein. Für etwas so Gefährliches wie die Pest hat sie vermutlich auch Kohl beigemengt sowie Tomaten und was weiß ich noch für Zaubergemüse. Aber es klappt. Mama achtet darauf, dass wir uns ganz nackt ausziehen, und dann löffelt sie uns den heißen Brei über den ganzen Körper, ohne auch nur daran zu denken, welche Schweinerei sie damit anrichtet. Der Brei saugt die Krankheit auf, und das war's. Nun, wie es aussieht, kommt selbst die Pest nicht gegen Mamas Polenta an.‘ Argalia begann, Il Machias verrückte Familie die 'Polentini‘ zu nennen und dachte sich sogar Spottlieder für eine imaginäre Liebste namens 'Polenta‘ aus."

    Schwer zu sagen, mit welchen Pasten Mutter Bartolomea in der Wirklichkeit gegen Krankheiten zu Felde zog, mag sein, dass sich in den vielen Büchern, die Rushdie in seiner Bibliografie anführt, auch ein Hinweis auf ihre Polenta-Kochkünste findet. Auf mehr als sieben Seiten listet der Autor am Ende des Romans seine Quellen auf. Bücher und Websites. Es ist nicht ganz einsichtig, warum er das macht. Möchte er zeigen, was er alles gelesen hat? Möchte er dem Leser Lektüretipps an die Hand geben?

    Dem Buch vorangestellt ist der Hinweis: "Dies ist ein Werk der Phantasie. Im Interesse der Wahrheit waren einige Freiheiten im Umgang mit dem historisch Verbürgten angebracht." Diese Freiheit im Umgang mit dem historisch Verbürgten schließt eine Unmenge an Querverweisen ein; Anspielungen auf Historie, Literatur und Kino. Rushdie erzählt wie entfesselt, verquirlt Märchen mit Geschichte, Mythen und Legenden an real existierenden Schauplätzen und beschwört immer wieder das Übersinnliche. An dieser Stelle muss auch die ebenso rasante wie wortgewaltige Übersetzung von Bernhard Robben erwähnt werden, der nach "Shalimar der Narr" zum zweiten Mal einen Roman von Rushdie bewunderungswürdig ins Deutsche übersetzte.

    Engel, Teufel, Zauberspiegel, Hexen und andere Fantasiegestalten treten in dem Roman auf wie alte Bekannte. Es ist eine verwirrende Vielfalt, die sich vor den Augen des Lesers ausbreitet. Wer das Buch zwei Tage liegen lässt, findet nur schwer wieder hinein. Am besten ließe sich der Eindruck, den der Roman hinterlässt, vielleicht mit einem Bild von Hieronymus Bosch vergleichen. Beim ersten Anblick ist man erschlagen von der wimmelnden Vielfalt, bis man sich die Zeit nimmt, um sich den Details in aller Ruhe zuzuwenden.

    "Jene Skeptiker, die dank ihres griesgrämigen Naturells eine Abneigung gegen übernatürliche Erklärungen für geschichtliche Ereignisse hegen, ziehen es vermutlich auch vor, konventionellere Gründe für die goldene Zeit der allgemeinen Zufriedenheit und des materiellen Wohlstandes anzugeben, die Florenz in jenen Tagen genoss. Unter der gütig tyrannischen Regentschaft von Leo X., dem eigentlichen Herrn und Meister von Florenz, den man je nach Blickwinkel, für ein Genie oder für einen aufgeblasenen Narren hielt, gedieh die Stadt, die Feinde zogen sich zurück…

    Für Schwarzseher solch verbitterter Zunft würde natürlich das Treffen des Papstes mit dem König von Frankreich im Anschluss an die Schlacht von Marignano im Vordergrund stehen, ebenso seine Bündnisse und Verträge, die neuen Territorien, die er kaufte oder an sich riss und den Florentinern sehr zu ihrem Gewinn zur Verwaltung überließ, oder die Tatsache, dass er Lorenzo de‘ Medici mit Prinzessin Filiberta von Savoyen verheiratete, woraufhin ihm François I., König von Frankreich, zum Dank das Herzogtum Nemours überließ und ihm überdies vielleicht noch ins Ohr flüsterte, dass ihm auch bald Neapel gehören würde...

    Diesen Korinthenkackern, die trockner als Staub sind, sei zugestanden: Ja, die Macht des Papstes war zweifellos enorm. Ebenso die Macht des Königs von Frankreich oder auch die des Königs von Spanien, der Schweizer Armee und des osmanischen Sultans, all diese Herrscher, die pausenlos miteinander im Krieg lagen, Hochzeiten abhielten, sich versöhnten, ihres Amtes enthoben wurden, Siege feierten, Niederlagen erlitten, Ränke schmiedeten, Diplomatie betrieben, Vergünstigungen kauften und verkauften, Steuern erhoben und Intrigen planten, die Kompromisse eingingen, in ihren Entschlüssen schwankten und die weiß der Teufel was sonst noch trieben. Zum Glück ist all dies völlig belanglos."

    Die drohende Phrase vom Kampf der Zivilisationen war freilich zum Zeitpunkt der Handlung noch nicht erfunden. Das gibt Rushdie die Gelegenheit, zur optimistischen Gegenthese auszuholen, etwa wenn er Akbar denken lässt: "Es ist nicht der Fluch der menschlichen Rasse, dass wir uns so sehr voneinander unterscheiden, sondern dass wir uns so ähnlich sind."

    Ob im Florenz der Renaissance oder im Indien der Mogulherrschaft: Immer geht es um die schönsten Frauen, die dicksten Ländereien und die eigene Vorherrschaft. Rushdie streicht die Gemeinsamkeiten heraus, zeigt, wie sich die Geschichte wiederholt. Bei aller historischen Korrektheit überführt er seine Geschichte immer wieder ins Zaubermärchenhafte, vermengt die Genres Schelmenroman, historischer Roman und Abenteuerroman - und bestaunt alles durch das bunte Glas der Magie. Dabei gelingen ihm hinreißende Schilderungen, etwa wenn er Schwarzauge, Qara Köz, sein Augenmerk schenkt.

    "Qara Köz: Man stelle sie sich in Täbris vor, der Hauptstadt der Safawiden, umschmeichelt von den feinsten Teppichen des Schahs, darauf hingestreckt wie Kleopatra auf Cäsars Persern. In Täbris waren sogar die Berge mit Geknüpftem ausgelegt, da auf ihren Flanken die Teppiche zum Trocknen ausgebreitet wurden. In den königlichen Gemächern wälzte sich Dame Schwarzauge auf Perserteppichen, als wären sie die Leiber ihrer Geliebten. Und immer stand in einer Ecke ein dampfender Samowar. Gierig schlang sie mit Pflaumen und Knoblauch gefülltes Huhn in sich hinein, aß Garnelen mit Tamarindenpaste oder Kebab mit Duftreis, doch blieb sie rank und schlank. Mit Spiegel, ihrer Leibdienerin, spielte sie Backgammon und wurde zur besten Spielerin am persischen Hof, allerdings vergnügte sie sich mit Spiegel auch noch bei anderen Spielen, kicherten und glucksten die beiden Mädchen hinter den verschlossenen Türen ihres Schlafgemachs, weshalb nicht wenige Höflinge sie für ein Liebespaar hielten, auch wenn kein Mensch, weder Frau noch Mann, dergleichen laut zu sagen wagte, da ein solches Gerücht den Kopf gekostet hätte. Wenn Qara Köz dem jungen König beim Polo zusah, stieß sie Seufzer erotischer Ekstase aus, sooft er seinen Schläger schwang, und das Volk begann zu glauben, ihr Stöhnen und Juchzen verzauberte den Ball, der unweigerlich ins Tor traf, während die Schläger der Verteidiger harmlos durch die Luft schnitten."

    Zwanzig Jahre ist es her, dass der Ayatollah Khomeini seinen Mordaufruf gegen Rushdie und seinen angeblich gotteslästerlichen Roman "Die satanischen Verse" in die Welt schickte. Und Rushdie antwortet darauf mit einem Roman, der die Macht der Worte im Gestus einer Beschwörung hochleben lässt. Sei es die Geschichte, mit der der gelbhaarige Florentiner den indischen Mogulherrscher in seinen Bann schlägt oder auch die Lieblingsfrau des Herrschers, die nur in seiner Fantasie aufblüht. Die Imagination ist der Wirklichkeit in diesem Roman immer um eine Nasenlänge voraus.

    Stilistisch ohne Fehl und Tadel und in makelloser Geschwätzigkeit schreibt Rushdie so, wie der gelbhaarige Florentiner sich auf den Weg zu Akbar macht: "Das war nun einmal seine Art: sich auf indirekte Weise, mit vielen Abstechern und Abschweifungen, dem Ziel zu nähern." Doch während über das Ziel des Florentiners keine Zweifel bestehen können, ist man sich über Rushdies Zielsetzung nicht sicher. Aus den vielen funkelnden Einzelteilen des Romans möchte sich diesmal einfach kein glänzendes Ganzes ergeben, obwohl man den Autor dafür bewundern muss, wie er all die gesponnenen Erzählfäden in der Hand behält.

    Der indische Schriftsteller Khushwant Singh attestierte dem Roman verbalen Durchfall. Das ist natürlich eine Gemeinheit, die wohl in erster Linie dem Neid auf den berühmtesten indischen Schriftsteller der Gegenwart geschuldet ist. Wahr ist aber, dass dieser neue Roman von Rushdie mit seiner Überfülle prahlt wie mit einem besonders dicken Wohlstandsbauch. Dabei hätten es ein paar Pfunde weniger auch getan.

    Salman Rushdie: Die bezaubernde Florentinerin
    Rowohlt, 439 Seiten, 19,90 Euro