Ein früher Wintertag am Fuße der schwäbischen Alb. Der Morgen hat den Boden mit Raureif überzogen, überall glitzern die Eiskristalle, der erste Schnee hat sich für die kommenden Tage angekündigt. Die Sonne scheint, der Himmel ist tiefblau.
Drei Gärtner arbeiten mit Harke und Schaufel und graben Beete um. Inmitten eines Idylls aus von Reif überzogenen Rasenflächen, Kräuterbeeten und blattlosen Obstbäumen. Zu dem Bild passt die Stimmung der Gärtner.
"Das Betriebsklima ist hervorragend, wir arbeiten im Team. Es gibt keinen direkten Vorgesetzten, alle Entscheidungen werden im Team getroffen, und das Klima ist sehr harmonisch."
Ihr Arbeitsplatz erstreckt sich über eine Fläche, die so groß ist wie zwei Fußballfelder. In diesem Garten gedeihen rund 150 Heilpflanzen. Vom Tabak über Enzian, dem Eisenhut bis zum Löwenzahn. Mit großer Sorgfalt wird jede Pflanze im Garten der WALA Heilmittel GmbH gehegt und gepflegt. Der Name WALA leitet sich aus der Verfahrensweise Wärme - Asche, Licht – Asche ab, ein rhythmischer Herstellungsprozess, der sich an die Anthroposophie Rudolf Steiners anlehnt. Der schwäbische Betrieb stellt Arzneimittel und Naturkosmetik her. Die WALA ist kein gewöhnliches Unternehmen. Wer zum Beispiel vor dem Produktionsgebäude im malerischen Bad Boll steht, fühlt sich an eine große Waldorfschule erinnert. Keine rechtwinkligen Ecken, asymmetrische Fenster und eine pilzartige Dachlandschaft. Auch im Gebäude herrscht der anthroposophische Geist.
"Es ist durchaus eine philosophische Frage. Es geht darum: Welchen Sinn hat unternehmerisches Handeln eigentlich und was will ich damit erreichen? Es wird in der heutigen Zeit immer deutlicher, dass Unternehmen nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen moralischen Auftrag haben."
Diesem moralischen Auftrag wird die WALA aus Sicht von Unternehmenssprecher Antal Adam gerecht. Nicht nur die Produktion unterliegt einem besonderen Verfahren der Rhythmik: aus Tag und Nacht, Licht und Sonne. Auch die Mitarbeiter erfahren eine besondere Wertschätzung. Sie sind quasi Mitbesitzer eines Unternehmens, das jährlich rund 100 Millionen Euro umsetzt. Die WALA ist eine nicht gemeinnützige Stiftung.
"Der Gedanke, der dahinter steckt, war, dass unternehmerisches Handeln nicht den Sinn und Zweck hat, Profit zu generieren, sondern es geht um was ganz anderes. Der Profit ist nur Mittel zum Zweck. Es geht um den Menschen, um den Kunden, es geht darum, dessen Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist eigentlich unser Auftrag, der Kunde ist unser Arbeitgeber. Dieses Stiftungsmodell ist so konstruiert, dass die Gewinne, die die WALA erwirtschaftet, in das Unternehmen reinvestiert werden in die Qualität, die am Ende dem Kunden dient und teileweise aber auch an die Mitarbeiter ausgeschüttet werden."
Nicht nur das. Die WALA unterstützt ihre Angestellten auch auf andere Weise: mit Monatstickets für den öffentlichen Nahverkehr, mit Kindergarten- oder Schulgeld bis hin zu erschwinglichem Bio-Essen in der Kantine. Das Credo der Firma: Die Mitarbeiter sollen sich als freie Menschen entfalten können. Das will auch Bernd Burkhardt so erfahren haben, der seit 25 Jahren dem Betriebsrat der WALA angehört. Dieser steht offenbar in einem ganz ungewöhnlich engen Verhältnis zur Geschäftsführung.
"Man muss etwas fordern aber auch sagen: Liebe Geschäftsleitung, wir haben eine Idee, wir haben einen Vorschlag. Damit die Geschäftsleitung auch sagen kann: Jawohl, das finden wir - lieber Betriebsrat - gar nicht so schlecht. Fordern, Schimpfen und Wollen ist nicht unser Stil."
Es ist aber nicht nur die soziale Komponente, die der WALA ein Anliegen zu sein scheint. Auch ökologische Gesichtspunkte sind dem schwäbischen Unternehmen wichtig. Der Anbau der Heilpflanzen, sei es im eigenen Garten oder auf den in der ganzen Welt verstreuten Plantagen, muss biologisch und nachhaltig geschehen. Und, nicht zu vergessen: Am Ende des Jahres soll das ökonomische Ziel erreicht werden, nämlich Gewinn zu erwirtschaften.
In diesem stiftungsgelagerten Unternehmen, basierend auf anthroposophischen Grundwerten, scheint das verwirklicht zu werden, was in der Wirtschaft neudeutsch als Corporate Social Responsibility firmiert. Corporate Social Responsibility lässt sich ins Deutsche übersetzen mit: verantwortungsvolles Handeln der Unternehmen – über ihre rechtlichen Pflichten hinaus. Manche werfen dafür Begriffe in die Runde wie ethisches Wirtschaften, Nachhaltigkeit oder Philanthropie. Andere zählen die Corporate Citizenship dazu: wenn sich Unternehmen bürgerlich engagieren, wenn zum Beispiel eine Brauerei den afrikanischen Regenwald retten will. Ein Wust an Begriffen, der im Grunde eines zum Ziel hat: das ökonomische, soziale und ökologische Gewissen von Unternehmen sinnvoll zu vereinen. Daraus entsteht, so die Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Anja Schwerk von der Berliner Humboldt-Universität, Nachhaltigkeit - Sustainability.
"Man hat drei Säulen. Nämlich die sogenannte Triple-Bottom Line: Ökonomie, Soziales und Ökologie. Und hinter den drei Säulen verbergen sich bestimmte Interessengruppen, sogenannte Stakeholder. Da haben sie Aktionäre, da haben sie den Konsumenten, da haben sie den Lieferanten, da haben sie die eigenen Mitarbeiter, da haben sie die Regierung. Und im Endeffekt geht es bei diesen ganzen Begriffen darum: Wie stellt das Unternehmen eine Balance her zwischen diesen unterschiedlichen Stakeholdern. Früher war es so, dass aus ökonomischer Sicht die Aktieninhaber die wichtigsten waren. Also praktisch die Profite maximieren. Heute sagt man eben die Anteilseigner sind sicherlich wichtig, die ökonomische Komponente nutzt ja auch den anderen, aber auch die anderen Stakeholder müssen berücksichtigt werden."
Wie nun aber in einem komplexen Wirtschaftssystem zwischen Inhaber, Arbeitnehmer, Zulieferer, Umwelt und anderen die Balance finden? Zumal der Zweck von Unternehmen einzig darin bestehen soll, Gewinne, sprich Profite, zu erwirtschaften. Wie diese Balance zu finden ist, wird in der Praxis ganz unterschiedlich beantwortet.
"Nachhaltigkeit! Viele fragen uns, was das bei Hipp bedeutet! Es bedeutet der Natur nur so viel zu entnehmen, wie wieder nachwächst. Mit ihr behutsam umzugehen und Gesundes zu ernten."
Die einen beschreiben vollmundig ihre guten Taten auf ihren Homepages oder werben mit Nachhaltigkeit. So der Babynahrungsmittelhersteller Hipp. Andere versuchen es im Kleinen und verwenden im Produktionsprozess Ökopapier oder Ökostrom. Wieder anderen ist die Debatte um unternehmerische Verantwortung zu aufgebläht. So zum Beispiel dem Schokoladenfabrikant Alfred Ritter.
"Ach, das ist das alte Thema Nachhaltigkeit, ich kann damit nicht sonderlich viel anfangen. Der Begriff stammt aus der Forstwirtschaft, und da hätte man es belassen sollen."
Dennoch ist der Begriff mittlerweile fast allgegenwärtig: Konsumenten begegnen ihm in der Werbung und beim Einkauf. Es finden Fachkongresse statt, die sich um das Thema Corporate Social Responsibility - CSR drehen. Preise werden ausgelobt, in denen Unternehmen für ausgeklügelte Nachhaltigkeitskonzepte geehrt werden. Die Wissenschaftlerin Anja Schwerk hat folgende Beobachtung gemacht.
"Es ist vor allem in den großen international tätigen Unternehmen schon länger eine Debatte. Das sieht man auch daran, dass die meisten großen Unternehmen, also alle DAX 30 Unternehmen, einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen oder einen Nachhaltigkeitsbeauftragten haben oder eine ganze Abteilung oder einen Sustainability Board. Oder wie sie es nennen wollen. Was sicherlich mittlerweile passiert ist, ist, dass die Unternehmen Nachhaltigkeit und CSR nicht mehr als Philanthropie betrachten, also, wir spenden da mal ein bisschen weit ab vom Kerngeschäft, sondern dass sie schon verstanden haben, dass es da um die Verantwortung im Kerngeschäft geht. Und vor allem um die Vermeidung negativer externer Effekte."
Sprich: negativer Schlagzeilen! Geht es also beim nachhaltigen Wirtschaften in Wahrheit nur um ein Weißwaschen von anderen unternehmerischen Sünden, ist CSR schlicht ein PR-Instrument? Und: Sollte es nicht eine Selbstverständlichkeit sein, sein Tagesgeschäft ordentlich zu betreiben; auf Umweltverschmutzung, Kinderarbeit, Bilanzfälschung, die Ausbeutung der Mitarbeiter und dergleichen zu verzichten? Schließlich haben diese Kriterien mit Gesetzestreue und dem Respekt vor Grundwerten zu tun und nichts mit einer aufgestülpten gesellschaftlichen Verantwortung.
Tatsächlich aber herrschen nicht in allen Produktionsprozessen harmonische und idyllische Bedingungen - wie zum Beispiel im Garten der WALA. Die Zeitungen sind voll mit Geschichten über Umweltverschmutzung oder skandalöse Arbeitsbedingungen.
"Die Klamotten bei Takko sind günstig, sogar überdurchschnittlich billig. Die Preise kommen offensichtlich nicht von ungefähr. Die Billigkette Takko lässt Gefangene in Chinas Haftanstalten für sich schuften!"
"Für die Präsentation der neuesten iPhone-Version könnte ein umgestürztes Polizeifahrzeug im nordchinesischen Taiyuan zu einem schlechten Vorzeichen werden: Randalierende Arbeiter auf einem Fabrikgelände des Apple-Zulieferers Foxconn hatten zugelangt. In einem Schlafsaal hatte es in der Nacht aus Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen eine Massenschlägerei gegeben, 2000 Arbeiter waren beteiligt."
"Der deutsche Textildiscounter Kik will zahlen. Die Familien der mehr als 250 Todesopfer, die bei einem Feuer in einer pakistanischen Textilfabrik ums Leben kamen, sollen insgesamt 500.000 Dollar erhalten. Zu wenig, finden die Überlebenden - und drohen, das Unternehmen zu verklagen."
Die soziale Verantwortung kann offenbar schnell in den Hintergrund treten, wenn es um ökonomische Ziele geht. Vor allem außerhalb Deutschlands. Viele Unternehmen, gleich welcher Größe, lassen in armen Ländern ihre Produkte herstellen. Die Zulieferketten sind oft unüberschaubar. Der Preisdruck ist enorm. Können Unternehmen in dieser Gemengelage überhaupt sozial verantwortlich agieren? Gisela Burckhardt von der Bonner Nichtregierungsorganisation FEMNET betont ihre Zweifel.
"Viele Unternehmen nutzen diese Nachhaltigkeitsberichte auch zur Schönfärberei. Man stellt das Einzelne gut dar - Pars pro Toto. Man sagt, wir sind in dem und dem Bereich führend – zum Beispiel macht Kik das ja auch in seinem ersten Nachhaltigkeitsbericht. Sie beschreiben da, dass sie zehn Lieferanten in Bangladesch gut ausbilden. Sagen aber nicht dazu, wie viel Lieferanten sie überhaupt im Land haben. Der einzelne Verbraucher denkt: Ja, da machen sie was Gutes, und wenn man das in Relation stellt und den Gesamtkontext sieht, dass so viele andere Lieferanten da sind, dann relativiert sich das. Man erkennt gar nicht richtig, wie es wirklich vor Ort ist."
Der Vorwurf, Unternehmen betrieben mit ihrer Zurschaustellung unternehmerischer Verantwortung vor allem eine geschickte Werbekampagne, ist so alt wie der Begriff CSR. Der stammt aus den 1950er-Jahren und wurde aus den USA importiert. Für Jochen Zeitz ist Nachhaltigkeit aber kein Begriff aus der PR-Welt. Der Manager leitete fast 20 Jahre den Sportartikelhersteller Puma. Zum Thema soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit hat er schon mehrere Bücher verfasst und eine eigene Stiftung in Afrika gegründet.
"Die Zeiten der sogenannten sozialen Unternehmensverantwortung, wo man einfach nur versucht, möglichst die Probleme und Risiken unter dem Tisch zu halten und nicht wirklich konsequent Lösungen zu suchen, die sind vorbei - und das ist auch gut so. Da helfen uns Twitter und Facebook und alle Möglichkeiten die nicht nur den Verbrauchern, sondern allen Unternehmen direkt oder indirekt zur Verfügung stehen. Ich bin aber der Meinung, man muss Sachen angehen, die einem gar nicht bewusst sind."
Der Manager interessiert sich vor allem für die Beantwortung der Frage: Welchen ökologischen Fußabdruck hinterlässt Puma bei der Herstellung seiner Sport- und Lifestyleprodukte? Sprich: Wie sehr belastet der Produktionsprozess von Puma die Umwelt - weltweit.
So konfrontierte Zeitz die Öffentlichkeit vor zwei Jahren mit einer ungewöhnlichen Bilanz, einer ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung. Zeitz hat sich von namhaften Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testieren lassen, wie teuer die von Puma verursachten Umweltschäden sind - bei Landnutzung, Luftverschmutzung, Abfall, Treibhausgasemissionen und Wasserverbrauch. Das Ergebnis: 145 Millionen Euro Schaden fügt die Produktion des Sportausstatters jährlich der Erde zu.
"Die Verbraucher und die Öffentlichkeit wissen ja, dass wir keinen positiven Fußabdruck hinterlassen. Insofern ist die Monetisierung nur eine Offenlegung dessen, was man schon weiß. Wir waren damals stark in Diskussionen, wollen wir oder wollen wir nicht? Ich war der festen Überzeugung, dass es der richtige Weg ist, was sich im Nachhinein als richtig erwiesen hart. Ein Kritikpunkt, der uns früher vorgehalten wurde: Die Frage, wie können wir denn überhaupt beurteilen, ob wir hier etwas Positives tun oder nur Greenwashing unternehmen, dem kann man jetzt entgegentreten und sagen: Wir können jetzt messen, was wir tatsächlich tun und haben damit eine ganz andere Transparenz als Unternehmen. Insofern sind wir auf der einen Seite vielleicht angreifbarer geworden, auf der anderen aber viel transparenter."
Seine ökologische Gewinn- und Verlustrechnung ist ein Pionierstück, nicht nur in der deutschen Unternehmerlandschaft. Puma bekam dafür den Nachhaltigkeitspreis 2010. Das Unternehmen forscht zurzeit daran, ob sich nicht nur ökologische, sondern auch soziale Verantwortung messen lässt.
So etwas würde Alfred Ritter von Ritter Sport nicht tun. Für ihn ist soziale Verantwortung nur mit dem Bauch messbar. Kostet ihn Nachhaltigkeit etwas?
"Ne, die ist billig! Wenn die Leute sich hier gut behandelt fühlen, dann arbeiten die auch gut. Wenn die sich schlecht behandelt fühlen, dann arbeiten die auch schlecht. Und wenn die hier schlecht arbeiten, dann haben wir den Nachteil. Es ist besser, sie gut zu behandeln. Das ist kein Widerspruch zum Gewinnstreben."
Das gilt nicht nur für seine Mitarbeiter in Waldenbuch bei Stuttgart, das gilt auch für seine Rohstoffproduzenten: die Kakaobauern in Nicaragua, wo Ritter das Fairtrade-Projekt CACAONICA vor über 20 Jahren aufgebaut hat. Dort kauft der Schokoladenhersteller über den gängigen Weltmarktpreisen ein und hilft außerdem beim Wissenstransfer für eine nachhaltige Landwirtschaft.
"Wir sind kein Sozialverein. Wir machen gute Schokolade. Dabei kommt automatisch heraus, dass es den Leuten besser geht. Man schmeckt das der Schokolade an, wie es den Leuten geht, die sie produzieren."
Nur, merkt das auch der Konsument? Und: Interessiert es ihn überhaupt?
"Maul halten – Schneller – Maul halten – Schneller..."
Protestaktion in Bonn-Beuel vor einer Aldi-Filiale. Junge Aktivisten, schwarz gekleidet, stellen die Arbeitsbedingungen in einer südostasiatischen Textilfabrik dar. Die Kunden, die in den Discounter betreten, schauen verlegen weg. Manche nehmen den Prospekt an, den die Aktivisten verteilen.
Für Gisela Burckhardt von FEMNET beschränkt sich das Thema Nachhaltigkeit nicht nur auf den Produzenten, sondern auch auf den Konsumenten und dessen Verantwortung bei der Kaufentscheidung.
"Das Einkaufsverhalten ist leider immer noch so, dass die große Masse sich eher nach billig, billig richtet und nicht nach Qualität und auch nicht nach Sozialstandards fragt. Es gibt einen Bewusstseinswandel: Viele Menschen wissen über die Arbeitsrechtsverletzung, das hat aber noch nicht dazu geführt, dass sie ihr Einkaufsverhalten ändern."
Gisela Burckhard wünscht sich deutlichere Definitionen für den Verbraucher: Was steckt genau in dem Produkt, wo kommt es her, wie wurde es hergestellt? Richtlinien, so etwas darzustellen, gibt es: zum Beispiel die Leitsätze für multinationale Unternehmen der OECD oder der Global Compact der Vereinten Nationen, in denen die unternehmerische Verantwortung beschrieben und definiert wird.
"Im Moment bleibt alles auf freiwilliger Basis. Ein paar Unternehmen machen es, viele andere nicht."
Auch für den Manager Zeitz ist das zu wenig.
"Wenn man wirklich Transparenz herbeiführen will, dann geht es darum, auch eine Vergleichbarkeit herzustellen. Dieses Regelwerk, anhand dessen man dann im Wettbewerb konkurrieren kann, muss neu definiert werden. Es ist natürlich auch die Aufgabe der Unternehmen, ein System einzuführen, was Dinge vergleichbar macht. Ich denke, dass eine Vergleichbarmachung, so wie wir das seit vielen Jahren mit den Kalorien auf unserer Cornflakesdose kennen, durchaus ein Thema ist, wenn es um die Umwelt und das Soziale geht."
Bisher sind die Richtlinie für Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung, die Corporate Social Responsibility, vage und uneinheitlich. Jedes Unternehmen kann das nach vorne kehren, was es für sinnvoll hält. Sei es im Umgang mit den Angestellten, den Zulieferern oder die Behandlung von ökologischen Aspekten. Doch geschieht es wirklich im Wohle der Gesamtheit, wenn ein Unternehmen Strom einspart - oder dient es nicht in erster Linie der eigenen Kosten- und Leistungsrechnung?
Ohne klarere Definitionen wird das Thema Nachhaltigkeit sein Image als PR-Instrument nicht abschütteln können.
Denn nicht überall geht es so friedlich zu wie im Garten der WALA – wo selbst einem ausgewiesenen Unkraut wie dem Löwenzahn besondere Aufmerksamkeit zuteilwird.
"Löwenzahn wächst ganz schlecht in einer freien Kultur. Die brauchen Konkurrenz und dann kriegen sie einfach Konkurrenz von uns. Indem wir sie gezielt in eine Wiese pflanzen."
Drei Gärtner arbeiten mit Harke und Schaufel und graben Beete um. Inmitten eines Idylls aus von Reif überzogenen Rasenflächen, Kräuterbeeten und blattlosen Obstbäumen. Zu dem Bild passt die Stimmung der Gärtner.
"Das Betriebsklima ist hervorragend, wir arbeiten im Team. Es gibt keinen direkten Vorgesetzten, alle Entscheidungen werden im Team getroffen, und das Klima ist sehr harmonisch."
Ihr Arbeitsplatz erstreckt sich über eine Fläche, die so groß ist wie zwei Fußballfelder. In diesem Garten gedeihen rund 150 Heilpflanzen. Vom Tabak über Enzian, dem Eisenhut bis zum Löwenzahn. Mit großer Sorgfalt wird jede Pflanze im Garten der WALA Heilmittel GmbH gehegt und gepflegt. Der Name WALA leitet sich aus der Verfahrensweise Wärme - Asche, Licht – Asche ab, ein rhythmischer Herstellungsprozess, der sich an die Anthroposophie Rudolf Steiners anlehnt. Der schwäbische Betrieb stellt Arzneimittel und Naturkosmetik her. Die WALA ist kein gewöhnliches Unternehmen. Wer zum Beispiel vor dem Produktionsgebäude im malerischen Bad Boll steht, fühlt sich an eine große Waldorfschule erinnert. Keine rechtwinkligen Ecken, asymmetrische Fenster und eine pilzartige Dachlandschaft. Auch im Gebäude herrscht der anthroposophische Geist.
"Es ist durchaus eine philosophische Frage. Es geht darum: Welchen Sinn hat unternehmerisches Handeln eigentlich und was will ich damit erreichen? Es wird in der heutigen Zeit immer deutlicher, dass Unternehmen nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen moralischen Auftrag haben."
Diesem moralischen Auftrag wird die WALA aus Sicht von Unternehmenssprecher Antal Adam gerecht. Nicht nur die Produktion unterliegt einem besonderen Verfahren der Rhythmik: aus Tag und Nacht, Licht und Sonne. Auch die Mitarbeiter erfahren eine besondere Wertschätzung. Sie sind quasi Mitbesitzer eines Unternehmens, das jährlich rund 100 Millionen Euro umsetzt. Die WALA ist eine nicht gemeinnützige Stiftung.
"Der Gedanke, der dahinter steckt, war, dass unternehmerisches Handeln nicht den Sinn und Zweck hat, Profit zu generieren, sondern es geht um was ganz anderes. Der Profit ist nur Mittel zum Zweck. Es geht um den Menschen, um den Kunden, es geht darum, dessen Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist eigentlich unser Auftrag, der Kunde ist unser Arbeitgeber. Dieses Stiftungsmodell ist so konstruiert, dass die Gewinne, die die WALA erwirtschaftet, in das Unternehmen reinvestiert werden in die Qualität, die am Ende dem Kunden dient und teileweise aber auch an die Mitarbeiter ausgeschüttet werden."
Nicht nur das. Die WALA unterstützt ihre Angestellten auch auf andere Weise: mit Monatstickets für den öffentlichen Nahverkehr, mit Kindergarten- oder Schulgeld bis hin zu erschwinglichem Bio-Essen in der Kantine. Das Credo der Firma: Die Mitarbeiter sollen sich als freie Menschen entfalten können. Das will auch Bernd Burkhardt so erfahren haben, der seit 25 Jahren dem Betriebsrat der WALA angehört. Dieser steht offenbar in einem ganz ungewöhnlich engen Verhältnis zur Geschäftsführung.
"Man muss etwas fordern aber auch sagen: Liebe Geschäftsleitung, wir haben eine Idee, wir haben einen Vorschlag. Damit die Geschäftsleitung auch sagen kann: Jawohl, das finden wir - lieber Betriebsrat - gar nicht so schlecht. Fordern, Schimpfen und Wollen ist nicht unser Stil."
Es ist aber nicht nur die soziale Komponente, die der WALA ein Anliegen zu sein scheint. Auch ökologische Gesichtspunkte sind dem schwäbischen Unternehmen wichtig. Der Anbau der Heilpflanzen, sei es im eigenen Garten oder auf den in der ganzen Welt verstreuten Plantagen, muss biologisch und nachhaltig geschehen. Und, nicht zu vergessen: Am Ende des Jahres soll das ökonomische Ziel erreicht werden, nämlich Gewinn zu erwirtschaften.
In diesem stiftungsgelagerten Unternehmen, basierend auf anthroposophischen Grundwerten, scheint das verwirklicht zu werden, was in der Wirtschaft neudeutsch als Corporate Social Responsibility firmiert. Corporate Social Responsibility lässt sich ins Deutsche übersetzen mit: verantwortungsvolles Handeln der Unternehmen – über ihre rechtlichen Pflichten hinaus. Manche werfen dafür Begriffe in die Runde wie ethisches Wirtschaften, Nachhaltigkeit oder Philanthropie. Andere zählen die Corporate Citizenship dazu: wenn sich Unternehmen bürgerlich engagieren, wenn zum Beispiel eine Brauerei den afrikanischen Regenwald retten will. Ein Wust an Begriffen, der im Grunde eines zum Ziel hat: das ökonomische, soziale und ökologische Gewissen von Unternehmen sinnvoll zu vereinen. Daraus entsteht, so die Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Anja Schwerk von der Berliner Humboldt-Universität, Nachhaltigkeit - Sustainability.
"Man hat drei Säulen. Nämlich die sogenannte Triple-Bottom Line: Ökonomie, Soziales und Ökologie. Und hinter den drei Säulen verbergen sich bestimmte Interessengruppen, sogenannte Stakeholder. Da haben sie Aktionäre, da haben sie den Konsumenten, da haben sie den Lieferanten, da haben sie die eigenen Mitarbeiter, da haben sie die Regierung. Und im Endeffekt geht es bei diesen ganzen Begriffen darum: Wie stellt das Unternehmen eine Balance her zwischen diesen unterschiedlichen Stakeholdern. Früher war es so, dass aus ökonomischer Sicht die Aktieninhaber die wichtigsten waren. Also praktisch die Profite maximieren. Heute sagt man eben die Anteilseigner sind sicherlich wichtig, die ökonomische Komponente nutzt ja auch den anderen, aber auch die anderen Stakeholder müssen berücksichtigt werden."
Wie nun aber in einem komplexen Wirtschaftssystem zwischen Inhaber, Arbeitnehmer, Zulieferer, Umwelt und anderen die Balance finden? Zumal der Zweck von Unternehmen einzig darin bestehen soll, Gewinne, sprich Profite, zu erwirtschaften. Wie diese Balance zu finden ist, wird in der Praxis ganz unterschiedlich beantwortet.
"Nachhaltigkeit! Viele fragen uns, was das bei Hipp bedeutet! Es bedeutet der Natur nur so viel zu entnehmen, wie wieder nachwächst. Mit ihr behutsam umzugehen und Gesundes zu ernten."
Die einen beschreiben vollmundig ihre guten Taten auf ihren Homepages oder werben mit Nachhaltigkeit. So der Babynahrungsmittelhersteller Hipp. Andere versuchen es im Kleinen und verwenden im Produktionsprozess Ökopapier oder Ökostrom. Wieder anderen ist die Debatte um unternehmerische Verantwortung zu aufgebläht. So zum Beispiel dem Schokoladenfabrikant Alfred Ritter.
"Ach, das ist das alte Thema Nachhaltigkeit, ich kann damit nicht sonderlich viel anfangen. Der Begriff stammt aus der Forstwirtschaft, und da hätte man es belassen sollen."
Dennoch ist der Begriff mittlerweile fast allgegenwärtig: Konsumenten begegnen ihm in der Werbung und beim Einkauf. Es finden Fachkongresse statt, die sich um das Thema Corporate Social Responsibility - CSR drehen. Preise werden ausgelobt, in denen Unternehmen für ausgeklügelte Nachhaltigkeitskonzepte geehrt werden. Die Wissenschaftlerin Anja Schwerk hat folgende Beobachtung gemacht.
"Es ist vor allem in den großen international tätigen Unternehmen schon länger eine Debatte. Das sieht man auch daran, dass die meisten großen Unternehmen, also alle DAX 30 Unternehmen, einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen oder einen Nachhaltigkeitsbeauftragten haben oder eine ganze Abteilung oder einen Sustainability Board. Oder wie sie es nennen wollen. Was sicherlich mittlerweile passiert ist, ist, dass die Unternehmen Nachhaltigkeit und CSR nicht mehr als Philanthropie betrachten, also, wir spenden da mal ein bisschen weit ab vom Kerngeschäft, sondern dass sie schon verstanden haben, dass es da um die Verantwortung im Kerngeschäft geht. Und vor allem um die Vermeidung negativer externer Effekte."
Sprich: negativer Schlagzeilen! Geht es also beim nachhaltigen Wirtschaften in Wahrheit nur um ein Weißwaschen von anderen unternehmerischen Sünden, ist CSR schlicht ein PR-Instrument? Und: Sollte es nicht eine Selbstverständlichkeit sein, sein Tagesgeschäft ordentlich zu betreiben; auf Umweltverschmutzung, Kinderarbeit, Bilanzfälschung, die Ausbeutung der Mitarbeiter und dergleichen zu verzichten? Schließlich haben diese Kriterien mit Gesetzestreue und dem Respekt vor Grundwerten zu tun und nichts mit einer aufgestülpten gesellschaftlichen Verantwortung.
Tatsächlich aber herrschen nicht in allen Produktionsprozessen harmonische und idyllische Bedingungen - wie zum Beispiel im Garten der WALA. Die Zeitungen sind voll mit Geschichten über Umweltverschmutzung oder skandalöse Arbeitsbedingungen.
"Die Klamotten bei Takko sind günstig, sogar überdurchschnittlich billig. Die Preise kommen offensichtlich nicht von ungefähr. Die Billigkette Takko lässt Gefangene in Chinas Haftanstalten für sich schuften!"
"Für die Präsentation der neuesten iPhone-Version könnte ein umgestürztes Polizeifahrzeug im nordchinesischen Taiyuan zu einem schlechten Vorzeichen werden: Randalierende Arbeiter auf einem Fabrikgelände des Apple-Zulieferers Foxconn hatten zugelangt. In einem Schlafsaal hatte es in der Nacht aus Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen eine Massenschlägerei gegeben, 2000 Arbeiter waren beteiligt."
"Der deutsche Textildiscounter Kik will zahlen. Die Familien der mehr als 250 Todesopfer, die bei einem Feuer in einer pakistanischen Textilfabrik ums Leben kamen, sollen insgesamt 500.000 Dollar erhalten. Zu wenig, finden die Überlebenden - und drohen, das Unternehmen zu verklagen."
Die soziale Verantwortung kann offenbar schnell in den Hintergrund treten, wenn es um ökonomische Ziele geht. Vor allem außerhalb Deutschlands. Viele Unternehmen, gleich welcher Größe, lassen in armen Ländern ihre Produkte herstellen. Die Zulieferketten sind oft unüberschaubar. Der Preisdruck ist enorm. Können Unternehmen in dieser Gemengelage überhaupt sozial verantwortlich agieren? Gisela Burckhardt von der Bonner Nichtregierungsorganisation FEMNET betont ihre Zweifel.
"Viele Unternehmen nutzen diese Nachhaltigkeitsberichte auch zur Schönfärberei. Man stellt das Einzelne gut dar - Pars pro Toto. Man sagt, wir sind in dem und dem Bereich führend – zum Beispiel macht Kik das ja auch in seinem ersten Nachhaltigkeitsbericht. Sie beschreiben da, dass sie zehn Lieferanten in Bangladesch gut ausbilden. Sagen aber nicht dazu, wie viel Lieferanten sie überhaupt im Land haben. Der einzelne Verbraucher denkt: Ja, da machen sie was Gutes, und wenn man das in Relation stellt und den Gesamtkontext sieht, dass so viele andere Lieferanten da sind, dann relativiert sich das. Man erkennt gar nicht richtig, wie es wirklich vor Ort ist."
Der Vorwurf, Unternehmen betrieben mit ihrer Zurschaustellung unternehmerischer Verantwortung vor allem eine geschickte Werbekampagne, ist so alt wie der Begriff CSR. Der stammt aus den 1950er-Jahren und wurde aus den USA importiert. Für Jochen Zeitz ist Nachhaltigkeit aber kein Begriff aus der PR-Welt. Der Manager leitete fast 20 Jahre den Sportartikelhersteller Puma. Zum Thema soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit hat er schon mehrere Bücher verfasst und eine eigene Stiftung in Afrika gegründet.
"Die Zeiten der sogenannten sozialen Unternehmensverantwortung, wo man einfach nur versucht, möglichst die Probleme und Risiken unter dem Tisch zu halten und nicht wirklich konsequent Lösungen zu suchen, die sind vorbei - und das ist auch gut so. Da helfen uns Twitter und Facebook und alle Möglichkeiten die nicht nur den Verbrauchern, sondern allen Unternehmen direkt oder indirekt zur Verfügung stehen. Ich bin aber der Meinung, man muss Sachen angehen, die einem gar nicht bewusst sind."
Der Manager interessiert sich vor allem für die Beantwortung der Frage: Welchen ökologischen Fußabdruck hinterlässt Puma bei der Herstellung seiner Sport- und Lifestyleprodukte? Sprich: Wie sehr belastet der Produktionsprozess von Puma die Umwelt - weltweit.
So konfrontierte Zeitz die Öffentlichkeit vor zwei Jahren mit einer ungewöhnlichen Bilanz, einer ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung. Zeitz hat sich von namhaften Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testieren lassen, wie teuer die von Puma verursachten Umweltschäden sind - bei Landnutzung, Luftverschmutzung, Abfall, Treibhausgasemissionen und Wasserverbrauch. Das Ergebnis: 145 Millionen Euro Schaden fügt die Produktion des Sportausstatters jährlich der Erde zu.
"Die Verbraucher und die Öffentlichkeit wissen ja, dass wir keinen positiven Fußabdruck hinterlassen. Insofern ist die Monetisierung nur eine Offenlegung dessen, was man schon weiß. Wir waren damals stark in Diskussionen, wollen wir oder wollen wir nicht? Ich war der festen Überzeugung, dass es der richtige Weg ist, was sich im Nachhinein als richtig erwiesen hart. Ein Kritikpunkt, der uns früher vorgehalten wurde: Die Frage, wie können wir denn überhaupt beurteilen, ob wir hier etwas Positives tun oder nur Greenwashing unternehmen, dem kann man jetzt entgegentreten und sagen: Wir können jetzt messen, was wir tatsächlich tun und haben damit eine ganz andere Transparenz als Unternehmen. Insofern sind wir auf der einen Seite vielleicht angreifbarer geworden, auf der anderen aber viel transparenter."
Seine ökologische Gewinn- und Verlustrechnung ist ein Pionierstück, nicht nur in der deutschen Unternehmerlandschaft. Puma bekam dafür den Nachhaltigkeitspreis 2010. Das Unternehmen forscht zurzeit daran, ob sich nicht nur ökologische, sondern auch soziale Verantwortung messen lässt.
So etwas würde Alfred Ritter von Ritter Sport nicht tun. Für ihn ist soziale Verantwortung nur mit dem Bauch messbar. Kostet ihn Nachhaltigkeit etwas?
"Ne, die ist billig! Wenn die Leute sich hier gut behandelt fühlen, dann arbeiten die auch gut. Wenn die sich schlecht behandelt fühlen, dann arbeiten die auch schlecht. Und wenn die hier schlecht arbeiten, dann haben wir den Nachteil. Es ist besser, sie gut zu behandeln. Das ist kein Widerspruch zum Gewinnstreben."
Das gilt nicht nur für seine Mitarbeiter in Waldenbuch bei Stuttgart, das gilt auch für seine Rohstoffproduzenten: die Kakaobauern in Nicaragua, wo Ritter das Fairtrade-Projekt CACAONICA vor über 20 Jahren aufgebaut hat. Dort kauft der Schokoladenhersteller über den gängigen Weltmarktpreisen ein und hilft außerdem beim Wissenstransfer für eine nachhaltige Landwirtschaft.
"Wir sind kein Sozialverein. Wir machen gute Schokolade. Dabei kommt automatisch heraus, dass es den Leuten besser geht. Man schmeckt das der Schokolade an, wie es den Leuten geht, die sie produzieren."
Nur, merkt das auch der Konsument? Und: Interessiert es ihn überhaupt?
"Maul halten – Schneller – Maul halten – Schneller..."
Protestaktion in Bonn-Beuel vor einer Aldi-Filiale. Junge Aktivisten, schwarz gekleidet, stellen die Arbeitsbedingungen in einer südostasiatischen Textilfabrik dar. Die Kunden, die in den Discounter betreten, schauen verlegen weg. Manche nehmen den Prospekt an, den die Aktivisten verteilen.
Für Gisela Burckhardt von FEMNET beschränkt sich das Thema Nachhaltigkeit nicht nur auf den Produzenten, sondern auch auf den Konsumenten und dessen Verantwortung bei der Kaufentscheidung.
"Das Einkaufsverhalten ist leider immer noch so, dass die große Masse sich eher nach billig, billig richtet und nicht nach Qualität und auch nicht nach Sozialstandards fragt. Es gibt einen Bewusstseinswandel: Viele Menschen wissen über die Arbeitsrechtsverletzung, das hat aber noch nicht dazu geführt, dass sie ihr Einkaufsverhalten ändern."
Gisela Burckhard wünscht sich deutlichere Definitionen für den Verbraucher: Was steckt genau in dem Produkt, wo kommt es her, wie wurde es hergestellt? Richtlinien, so etwas darzustellen, gibt es: zum Beispiel die Leitsätze für multinationale Unternehmen der OECD oder der Global Compact der Vereinten Nationen, in denen die unternehmerische Verantwortung beschrieben und definiert wird.
"Im Moment bleibt alles auf freiwilliger Basis. Ein paar Unternehmen machen es, viele andere nicht."
Auch für den Manager Zeitz ist das zu wenig.
"Wenn man wirklich Transparenz herbeiführen will, dann geht es darum, auch eine Vergleichbarkeit herzustellen. Dieses Regelwerk, anhand dessen man dann im Wettbewerb konkurrieren kann, muss neu definiert werden. Es ist natürlich auch die Aufgabe der Unternehmen, ein System einzuführen, was Dinge vergleichbar macht. Ich denke, dass eine Vergleichbarmachung, so wie wir das seit vielen Jahren mit den Kalorien auf unserer Cornflakesdose kennen, durchaus ein Thema ist, wenn es um die Umwelt und das Soziale geht."
Bisher sind die Richtlinie für Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung, die Corporate Social Responsibility, vage und uneinheitlich. Jedes Unternehmen kann das nach vorne kehren, was es für sinnvoll hält. Sei es im Umgang mit den Angestellten, den Zulieferern oder die Behandlung von ökologischen Aspekten. Doch geschieht es wirklich im Wohle der Gesamtheit, wenn ein Unternehmen Strom einspart - oder dient es nicht in erster Linie der eigenen Kosten- und Leistungsrechnung?
Ohne klarere Definitionen wird das Thema Nachhaltigkeit sein Image als PR-Instrument nicht abschütteln können.
Denn nicht überall geht es so friedlich zu wie im Garten der WALA – wo selbst einem ausgewiesenen Unkraut wie dem Löwenzahn besondere Aufmerksamkeit zuteilwird.
"Löwenzahn wächst ganz schlecht in einer freien Kultur. Die brauchen Konkurrenz und dann kriegen sie einfach Konkurrenz von uns. Indem wir sie gezielt in eine Wiese pflanzen."