Archiv


Zwischen Recycling von Inhalten und neuen Verbreitungskanälen

Der US-amerikanische Fernsehsender CNN setzt zunehmend auf viele Kanäle: Journalistische Inhalte werden neben TV auch für Radio, Internet und Mobiltelefon verwertet. Man wolle nah am Nutzer sein, sagt der Sender. Kritiker sehen das anders.

Von Katja Ridderbusch |
    Für eine Marke wie CNN reiche das Fernsehen als Plattform nicht mehr aus. Das erklärte vor kurzem KC Estenson, Chef für digitale Projekte beim Cable News Network in Atlanta, dem größten Nachrichtensender der Welt.

    Tatsächlich ist CNN.com mit knapp 60 Millionen Nutzern pro Monat eine der erfolgreichsten Nachrichtenwebsites der Welt. Schneller, flexibler, kreativer als Fernsehen je sein kann, selbst Nachrichtenfernsehen, das CNN im Jahr 1980 erfand.

    Als wichtigstes Werkzeug für seine digitale Revolution propagiert CNN den Multi-Plattform-Journalismus.

    Das heißt: Journalistische Inhalte werden für mehrere Plattformen verwertet - Fernsehen, Radio, Internet, Mobiltelefon.
    Mike Toppo ist Nachrichtenchef von CNN.com.

    CNN wolle seine Inhalte direkt an die Nutzer liefern, sagt er - auf ihren Desktop, auf ihr iPad oder auf ihren TV-Schirm.

    Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen experimentieren seit Jahren mit diesem Konzept - auf der Suche nach dem goldenen Weg aus der Medienmisere.
    Im Fall von CNN liefert das Fernsehen etwa 80 Prozent des Videomaterials für die Website. Den umgekehrten Weg - vom Internet ins Fernsehen - gehen wenige, aber aufwendige Eigenproduktionen von CNN.com.
    Zum Beispiel eine Dokumentation über Sklaverei in Mauretanien. Oder eine Serie über die globale Computerspielindustrie.

    "Ich mag es, wenn man für mehrere Plattformen arbeiten kann, wenn die Geschichte die Form bestimmt und nicht umgekehrt."

    Sagt Edythe McNamee, Videoreporterin bei CNN.com.

    Edythe hat Fotografie studiert. Jetzt dreht sie Videos, textet, spricht, schneidet, produziert.

    Sie müsse sich nicht an strenge Zeilen- oder Zeitvorgaben halten, betont sie. Das sei ein Vorteil bei der Arbeit für digitale Medien. Man werde der Geschichte eher gerecht.

    Nicht nur bei CNN ist Multi-Plattform-Journalismus ein heiß diskutiertes Thema. Hank Klibanoff ist ein Pulitzer-Preis-gekürter Zeitungsjournalist in Atlanta.

    Die Idee des Multi-Plattform-Journalismus, meint er, sei von Medienmanagern geboren, die ihre Organisationen straffen und Geld sparen wollten.

    Multimedia-Journalismus: häufig also nur ein schickeres Wort für Rationalisierung und Recycling von Inhalten.
    CNN sei jedoch eine Ausnahme, meint Klibanoff.

    Er schätze CNNs journalistischen Ehrgeiz, sagt er. CNN habe eine der besten Nachrichtenwebsites überhaupt, mit gründlich recherchierten und gut geschriebene Reportagen.

    Doch CNNs digitale Ambition hat ihren Preis. Während die Zahl der Nutzer von CNN.com wächst, befinden sich die Fernsehquoten im freien Fall. Angesichts der gewandelten Prioritäten von CNN überrascht das nicht.

    Die meisten Werbeeinnahmen kämen noch immer vom Fernsehen, räumt CNN-Nachrichtenchef Toppo ein. Ein Dilemma.

    Im Moment jedoch hat CNN noch keine Geldnöte: Für 2012 erwartet der Sender einen Rekordgewinn von 600 Millionen Dollar, vor allem aus Lizenzgeschäften.

    Mit einem solchen Polster im Rücken und einem Pool von weltweit 4000 Mitarbeitern kann es sich CNN leisten, auch weniger profitable journalistische Formate zu pflegen.

    Da möchte man nur allzu gerne der Prognose von Mike Toppo glauben. Der sagt:

    "Gut erzählte Geschichten werden im Journalismus überleben. Gut erzählte Geschichten übersetzen sich auf allen Plattformen. Gut erzählte Geschichten werden die Menschen immer fesseln."