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Zwischen Schönreden und Wegschauen

Auf der einen Seite stehen jene, die Muslime unter Generalverdacht stellen; auf der anderen jede, die pauschal jedem islamischen Verein ein Persilschein ausstellen. Eine differenzierte Debatte über verschiedene Gruppierungen wird von Journalisten und Politikern meist gemieden.

Von Dorothea Jung |
    Als Anfang Oktober 2009 im schleswig-holsteinischen Rendsburg eine große Moschee eingeweiht wurde, sprach Peter Harry Carstensen, der Ministerpräsident des Landes, die Grußworte. Zitat:

    "Diese Moschee hat eine wunderbare Ausstrahlung von Sanftmut und Offenheit. Diese Moschee führt uns mit unseren Gedanken und Gefühlen zu Gott - ganz gleich, welcher Religionsgemeinschaft wir angehören, oder ob wir einer angehören."

    Bauherr der Moschee ist das Islamische Zentrum Rendsburg. Ein Verein, der dem Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland angegliedert ist. Und dieses Bündnis wiederum, so liest man im Verfassungsschutzbericht von Schleswig-Holstein, gehört zur Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, abgekürzt IGMG. Laut Verfassungsschutz die größte islamistische Organisation in Deutschland.

    "Ich freue mich, wenn man in dieser Art und Weise und in Ehre seinem Herrgott dienen kann und hier beten kann","

    ... bemerkt Peter Harry Carstensen am Rande der Moschee-Eröffnung. Warum gibt der Ministerpräsident des Landes Schleswig Holstein einer islamistischen Gruppierung die Ehre? Einer Organisation, die nach Angaben der Sicherheitsbehörden vom einstigen türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan gegründet wurde, der offen die Errichtung einer islamischen Gesellschaftsordnung propagiert? Denn obwohl der Verfassungsschutz bei den deutschen Milli-Görüs-Anhängern einen gewissen Trend zur Emanzipierung von der türkischen Ideologie beobachtet hat, schreibt die Behörde in ihrem Jahresbericht 2008 - Zitat:

    Zielrichtung der IGMG bleibt allerdings die unbedingte Bewahrung einer eigenständigen türkisch-islamischen Identität, was mit desintegrativen Tendenzen einhergehen kann.

    Ungeachtet der laut Verfassungsschutz "desintegrativen Tendenzen" schließt Christdemokrat Peter Harry Carstensen sein offizielles Grußwort erneut mit einem Lob für die Offenheit dieser Gemeinde. Zitat:

    ""Hier kann man Menschen treffen, die offen und friedlich ihrem Glauben nachgehen!"

    Als Ministerpräsident eines Landes eine Gemeinde der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs so zu beschreiben, als sei sie gewissermaßen ein Musterbeispiel an Offenheit, findet Claudia Dantschke vom Zentrum Demokratische Kultur in Berlin kritikwürdig. Nach Meinung der Islamismusexpertin gilt das auch, wenn nicht jeder, der eine Milli-Görüs-Moschee besucht, desintegrative Tendenzen unterstützt.

    "Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs wird von den Verfassungsschutzämtern der Länder, auch Schleswig-Holsteins und dem Bundesamt für Verfassungsschutz, seit Jahrzehnten fast, beobachtet unter dem Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit. Sie stellt das größte Kontingent des nichtgewaltbereiten Islamismus in Deutschland, das heißt: Man kann durchaus zu dieser Darstellung kritisch stehen, aber man kann sie nicht einfach ignorieren. Man kann also nicht einfach so einer Organisation einen Persilschein geben. Das halte ich für sehr bedenklich."

    In einer schriftlichen Stellungnahme für den Deutschlandfunk verteidigt Peter Harry Carstensen seine Rede. Er habe sich stets klar und unmissverständlich gegen jede Form von Extremismus gewandt. Seine Grußworte hätten sich an alle Muslime in Schleswig-Holstein gerichtet. Wörtlich heißt es in dem Schreiben weiter:

    "Gerade weil er den Hintergrund der Rendsburger Moschee kennt, hat der Ministerpräsident zum Ausdruck gebracht, er wünsche sich, dass die Gläubigen sagen: 'Hier ist meine Heimat, diesem Land bin ich treu. Nach seinen Gesetzen will ich leben. Ich bin eine deutsche Muslima, ein deutscher Muslim.'"

    Im Übrigen sei ein Grußwort zur feierlichen Eröffnung eines Gotteshauses nicht der geeignete Rahmen, den Verfassungsschutzbericht zu erörtern. Offenbar gibt es in Politik und Verwaltung die Sorge, beim Thema Islam in eine populistische Schublade einsortiert zu werden. Auf gar keinen Fall möchte man sich der Islamfeindschaft schuldig machen. Dabei ist es nach Auffassung des Kölner Journalisten Ahmed Senyurt nötig, sich die islamischen Verbände genau anzuschauen und Unterschiede wahrzunehmen.

    Ahmed Senyurt recherchiert seit Jahren im Milieu der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs. Er sagt, diese Organisation benutze die Religion oft nur als Deckmantel - besonders, um Gelder einzutreiben. Damit würden dann häufig die Projekte angeschoben, mit denen sich gesellschaftspolitische Vorstellungen verbreiten ließen. Senyurt zufolge ist die IGMG eher mit einer rechten politischen Partei zu vergleichen, als mit einer Religionsgemeinschaft.

    "Herr Carstensen wird ja auch nicht auf die Idee kommen, sozusagen ein Herrenhaus der DVU irgendwo in Kiel einzuweihen. Und wenn es die Milli Görüs sind: Ja, leider war das auch eine verfassungsfeindliche Bewegung. Das bedeutet nicht, dass jeder von denen so ist. Aber als Organisation ist Milli Görüs einfach ein Problem. Und ich finde es einen Skandal, dass der Ministerpräsident der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs die Hand reicht und sie damit im Grund adelt."

    Dass der schleswig-holsteinische Ministerpräsident mit seinem Grußwort die Gemeinde einer verfassungsbedenklichen Organisation allem Anschein nach öffentlich aufgewertet hat, fand nur in wenigen Medien des Landes Erwähnung. Selbst dann nicht, als die Polizei Anfang Dezember die Zentrale von Milli Görüs in Kerpen durchsucht, weil der Verdacht besteht, dass die Organisation Spendenbetrug begangen hat. Im Windschatten des Schweizer Minarett-Votums widmeten sich die Journalisten lieber der Frage, ob und wie oft der Muezzin seinen Gebetsruf über die Dächer von Rendsburg schicken darf. Denn darüber hatte sich nach der Moschee-Eröffnung ein Konflikt unter Anwohnern entwickelt. Und fast ausschließlich dieser Konflikt spiegelte sich dann in den Medien wider. Für Islamismusexpertin Dantschke ein bemerkenswerter Vorgang.

    "Weil in diesen Muezzin-Ruf ja hineininterpretiert wird von vielen nicht-muslimischen Bürgern eine Art Machtanspruch des Islam, eine Art Islamisierung. Das ist ein pauschaler Vorwurf gegen eine Moschee. Er würde konkretisiert werden können, wenn man fragt: Wer ist der Betreiber der Moschee? Wenn man sagt: Okay, der Betreiber ist Milli Görüs. Milli Görüs steht zumindest in dem Verdacht, eine Islamisierung - zwar nicht ganz Deutschlands, aber bestimmter Milieus - voranzutreiben, könnte in diesem Kontext vielleicht das überdimensionierte Minarett, der Muezzinruf, Teil dieser Strategie sein?'"

    Die publizistische Begleitung der Moschee-Eröffnung in Rendsburg offenbart, wie schwer es den Medien fällt, die Debatte über Islam und Islamismus gleichzeitig offensiv und differenziert zu führen. So Ahmed Senyurt, der sich als Reporter in zahlreichen deutschen Islamvereinen umgeschaut hat.

    "Das zeigt einen Mechanismus auf bei den Journalisten, vorsichtig mit dem Thema Islam umzugehen. Man will ja nicht Ressentiments wecken. Die Themen Moscheebau, Minarett sind sehr emotionale Themen. Da wird sehr heftig diskutiert. Vielleicht wollte man dem vorbauen."

    Dass nicht nur die Medien komplexe Zusammenhänge ausklammern, wenn es um islamische Gruppen und Verbände geht, zeigt ein anderes Beispiel.

    "Guten Morgen, meine Damen und Herren, mein Name ist Günter Piening, ich bin der Integrationsbeauftragte des Senats."

    Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening organisierte im Dezember 2009, kurz nach dem Schweizer Volksentscheid gegen Minarette, eine Informationstour zu islamischen Gemeinden in der deutschen Hauptstadt.

    "Ziel dieser Fahrt ist, Ihnen einen Einblick in das islamische Leben in Berlin zu geben."

    Während dieser Moschee-Tour erfuhren die Medienvertreter kein einziges Wort über den politischen Kontext der besuchten muslimischen Gemeinden; geschweige dass sie darüber informiert wurden, für welche Gemeinden sich die Sicherheitsbehörden interessieren.

    "Wir werden jetzt gleich im IZDB in der Drontheimer Straße ankommen, und dann werden wir Sie führen in das Islamische Zentrum für Dialog und Bildung."

    Beispiel: Das IZDB, das Interkulturelle Zentrum für Dialog und Bildung in Berlin-Wedding. Diesem Zentrum bescheinigt der Verfassungsschutz des Landes Berlin Verbindungen zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland, IGD. Die IGD ist die mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der islamistischen Muslimbrüder. Selbst wenn sie sich gegen Gewalt aussprechen, stehen die Muslimbrüder für antisemitische Einstellungen und demokratiefeindliche Gesellschaftsentwürfe. Aber Berlins Integrationsbeauftragter hält den Kontext für irrelevant, in dem sich das Weddinger Zentrum IZDB ideologisch verortet. Günter Piening ist vorwiegend die Arbeit der Gemeinde im Stadtteil wichtig.

    "Gleichzeitig wissen wir natürlich auch um Kontakte dieser Gemeinde. Das ist ein Aspekt; aber das ist nicht der ausschlaggebende Aspekt. Und gerade beim IZDB, aber auch bei anderen Gemeinden sehen wir, dass wir hier Gemeinden haben, die eine sehr, sehr aktive gesellschaftspolitische Arbeit machen in enger Kooperation mit den Strukturen im Kiez, sehr transparent sind, sich allen Fragen stellen. Der Verein selbst hat niemals Anlass gegeben, dass er Antisemitismus oder Rassismus oder demokratiefeindliche Bestrebungen hier vor Ort macht."

    Ein kritischer Dialog über islamistische Moschee-Gemeinden findet nach Angaben Günter Pienings in einem Berliner Gremium statt, das sich Islamforum nennt. An diesem regionalen Runden Tisch treffen sich regelmäßig insgesamt etwa 30 Muslime aus verschiedenen Gemeinden, darunter auch islamistische. Ebenfalls mit dabei sind die christlichen Kirchen, Stadtteil-Verantwortliche, der Innensenator und der Verfassungsschutz.

    Die Diskussionen in diesem Islamforum sind aber nicht öffentlich. Und auf der Moschee-Tour erfahren die Journalisten schon gar nichts darüber, was in diesem Gremium über islamistische Gruppierungen erörtert wird. Der Integrationsbeauftragte will den Medien ja auch ein positives Bild von den Moschee-Vereinen zeigen. Und er will darauf aufmerksam machen, dass sich die Muslime nach dem 11. September mehr und mehr ausgegrenzt fühlen. Im Islamforum, referiert Günter Piening, habe man sich in letzter Zeit intensiver mit Fragen der Islamfeindschaft auseinandersetzen müssen.

    "Wir spüren, dass auch deutliche Ängste da sind. Nicht nur in dem Sinne: 'Was passiert mir auf der Straße?', sondern: 'Wohin rutscht eigentlich diese deutsche Republik? Wie geht diese Republik mit Religionsfreiheit um?' Und da sollen eben in dieser Arbeitsgruppe auch Empfehlungen für die Politik erarbeitet werden."

    Burhan Kesici, der stellvertretende Vorsitzende der Islamischen Föderation in Berlin, schildert den Journalisten anschließend, dass er die Islamfeindschaft auch in seinem Verbands-Alltag bemerkt.

    "Ich selber bin gebrandmarkt dadurch, dass ich versucht habe, in einer Gemeinde Jugendarbeit zu machen. Wir wollten mit deutschen Vereinen zusammenarbeiten. Es ist relativ schwer als islamische Institution in Kontakt zu treten, weil einfach die Angst da ist, dass es sich hier um Fundamentalisten handelt, die zwar versuchen, Kooperationen einzugehen, aber irgendwie gibt es etwas im Hinterkopf, das wir nicht erfassen können."

    Nun muss man wissen, dass ein Misstrauen gegenüber Burhan Kesicis Islamischer Föderation sich eventuell auch aus dem Umstand speisen könnte, dass die Föderation seit Jahren ihre organisatorische Zugehörigkeit zu Milli Görüs verschleiert. Auch die Haci-Bayram-Moschee im Berliner Stadtteil Wedding, in der Burhan Kesici den Medienvertretern seine Erfahrungen mitteilt, gehört zur Milli-Görüs-Bewegung, obwohl sie sich offiziell der Föderation zuordnet. Das wird aber den Journalisten nicht mitgeteilt. Die Islamische Föderation würde das auch nie zugeben.

    Hintergrund: Die Föderation hat Angst, ihre Genehmigung zum Erteilen von Religionsunterricht an Berlins öffentlichen Schulen zu gefährden, wenn sie sich zu einer verfassungsbedenklichen Organisation bekennt. Die Camouflage macht also Sinn. Und Berlins Integrationsbeauftragter wirkt bei dieser Maskierung mit. Auf die Frage, warum er die Journalisten nicht darüber informiert, welche Organisation hinter der angesprochenen Haci-Bayram-Moschee steht, antwortet Günter Piening:

    "Das ist eine Moschee der Islamischen Föderation, und ich halte diese anderen Spekulationen für nicht sehr wichtig! Wichtig scheint mir zu sein, dass erst mal, unabhängig vom Label, Moscheen sich fest verankern im Stadtteil. Und Haci-Bayram ist eine Moschee der Islamischen Föderation. Meines Wissens haben wir keine ausgewiesenen Milli-Görüs-Moscheen in Berlin."

    Damit verleiht Günter Piening nach Meinung von Claudia Dantschke einer Milli-Görüs-Lüge Autorität, obwohl er es wegen zahlreicher Fachpublikationen zu diesem Thema besser wissen müsste. Das sei vielleicht gut gemeint, sagt die Islamismusexpertin, bewirke aber unter Umständen das Gegenteil.

    "Für mich ist das ein Ausdruck dafür, dass Herr Piening und seine Organisatoren unsicher sind, wie sie dieses Thema bewerten wollen. Es bringt aber nichts, dieses Thema dann wegzulassen, sondern: Nur wenn sie selbst genau dieses Thema sachlich, kritisch und in seiner Relevanz auch ansprechen, können sie überhaupt verhindern, dass irgendwelche Agitatoren ihnen dieses Thema aus der Hand nehmen, die dann ganz andere Intentionen haben: Die wollen dann letztendlich nur die gesamte Gemeinde und jeden, der dort beten geht, stigmatisieren."

    Wenn Einwanderer die ideologischen Hintergründe ihrer Vereine vor der Öffentlichkeit verbergen, versprechen sie sich davon in aller Regel irgendeinen Vorteil: Die Milli-Görüs-Bewegung will gesellschaftliche und soziale Anerkennung, die Islamische Föderation öffentliche Gelder für ihre Religionslehrer, die IGD will Zuschüsse zu Deutschkursen in den Zentren, die ihr nahestehen und so weiter. Und die rechtsextreme Türkische Föderation in Baden-Württemberg will ungestört Propaganda-Feiern ausrichten.

    Dafür tarnt sich die Organisation seit Jahren mit dem Vereinsnamen "Deutsch-Türkischer Freundschaftsverein". Unter diesem harmlos anmutenden Deckmantel mietet sie zum Beispiel im vergangenen November die Stadthalle in Filderstadt für ein Jugendkulturfest und lädt den rechtsextremen Folklore-Sänger Ali Kinik ein.

    Der lässt sich dann von der türkischen Jugend Filderstadts mit den Worten feiern: "Die Ülkücüs sind stolz auf dich." Ülkücüs bedeutet: "Idealisten". So nennen sich die türkischen Rechtsextremisten. Ihr Ziel: die Wiederbelebung eines ideellen Türkentums, ihr Traum: die Errichtung eines großtürkischen Reiches. Gegner ihres nationalistischen Konzepts werden oft auf menschenverachtende Weise verunglimpft. Der korrekte Name der Ülkücüs lautet: "Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu", ADÜTDF. Also: "Föderation der Türkisch Demokratischen Idealisten-Vereine in Deutschland". Oder einfach nur: Türkische Föderation. Man kennt sie auch als die "Grauen Wölfe".

    Die Troubadoure der türkischen Rechten unterlegen ihre Videoclips gerne mit Wolfsgeheul, Wolfsbilder sind im Internet ein wichtiges Erkennungszeichen der Bewegung - und untereinander outen sich die Ülkücüs mit dem Wolfszeichen, erklärt der Kölner Journalist Ahmed Senyurt.

    "Das heißt: Zeigefinger und Daumen und Mittelfinger bilden halt ein Dreieck und zwei Finger werden abgespreizt. Das ist das Zeichen der Grauen Wölfe: die Hand, die zu einem Wolfskopf geformt wird."

    Der Bürgermeister von Filderstadt fiel aus allen Wolken, als ihm zu Ohren kam, dass in seiner Stadthalle Jugendliche massenhaft die Hände zum Wolfszeichen erhoben und dabei einem rechtsnationalen türkischen Barden zugejubelt hatten. Andreas Koch erinnert sich, dass die Veranstaltung bei der Raumvergabe der Halle ganz normal angemeldet war.

    "Ursprünglich mal als Kulturveranstaltung, und dann wurde das wieder revidiert, und es hieß - das ist auch in dem Formular festgehalten -, es findet eine Mitgliederversammlung statt. Also eine Mitgliederversammlung des Deutsch-Türkischen Freundschaftsvereins. Aber es gab bislang auch nie irgendwelche Anhaltspunkte, dass das jetzt irgendwie kritisch wäre, dass man da irgendwie besonders hinschauen müsste."

    Genau hingesehen hatte allerdings die regionale Presse. Die hatte im Internet ein Video über die Veranstaltung in Filderstadt entdeckt. Darüber stand keinesfalls "Mitgliederversammlung des Deutsch-Türkischen Freundschaftsvereins", sondern - auf türkisch - "Konzert und Jugendfest der Grauen Wölfe". Wer es genauer wissen wollte, stieß hier auch auf den Veranstalter, den "Filderstadt Ülkü Ocagi" den "Filderstadt Idealistenverein". Den konnte man freilich in der Filderstädter Vereinsdatenbank nicht finden. Dafür aber auf den Webseiten der rechtsextremen Türkischen Föderation. Dort ist Özkan Yesilay - Filderstadts Ansprechpartner beim Deutsch-Türkischen Freundschaftsverein - sogar als Regionalchef der Grauen Wölfe aufgeführt. Bürgermeister Andreas Koch stellt sich jetzt die Frage, wie er in Zukunft mit Migrantenvereinen umgehen soll.

    "Müssen wir da jetzt genauer hinschauen, als bei allen anderen. Also ich möchte nicht so eine Stimmung aufkommen lassen, die heißt: Die sind qua Herkunft schon mal kritisch zu beurteilen. Also, das möchte ich auf gar keinen Fall. Ich denke, das würde unsere Integrationsarbeit erheblich erschweren, wenn da immer so dieser Generalverdacht über allem hängen würde. Wenn es allerdings, wie jetzt geschehen, solche Hinweise gibt, dann schauen wir auch genauer hin, und wir sagen auch ganz klar: So etwas wollen wir in Filderstadt nicht haben."

    Das Thema wird den Gemeinderat beschäftigen. Erst einmal hat die Stadt den Deutsch-Türkischen Freundschaftsverein zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Wenn Behörden mit muslimischen Verbänden oder Migrantenvereinen Konflikte haben, fühlen sie sich häufig zur Zurückhaltung verpflichtet, aus Angst, Vorurteile zu bedienen, bemerkt Fernsehjournalist Ahmed Senyurt, selbst Sohn türkischer Einwanderer. Damit unterbinden sie in seinen Augen aber eine notwendige gesellschaftliche Debatte.

    "Dabei hinterfragt man dann nicht mehr, dass es vielleicht innerhalb des großen Islams auch politische Parteien gibt, die ihre Schäfchen versuchen ins Trockene zu bringen. Und deswegen ist es ja wichtig, dass man das Feld besetzt, damit man den Islamhasserforen die Debatte nicht überlässt."

    Gefordert sei stattdessen, mit Muslimen und Migranten eine selbstverständliche, kritische Diskussion auf Augenhöhe zu führen. So wie es in einer streitbaren Demokratie unter mündigen Bürgern üblich ist.