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Zwischen Stamp Duty und Finanztransaktionssteuer

Kein Fortschritt bei der Einführung der Finanztransaktionsteuer. Das ist das Fazit des Besuchs des britischen Ministerpräsidenten Cameron in Berlin. Warum sich Großbritannien mit aller Macht gegen diese Steuer stemmt und wo die Unterschiede zur britischen Stamp Tax liegen.

Von Jochen Spengler |
    Es ist eine Kugel ins Herz der Londoner City - so kritisiert Großbritanniens Schatzkanzler George Osborne die geplante Finanztransaktionssteuer. Und er bekräftigt:

    "Großbritannien wird eine Finanztransaktionssteuer in der EU der 27 nicht akzeptieren. Wir werden sie solange nicht billigen, solange andere Rechtssysteme in der Welt sie nicht auch einführen."

    Doch New York oder Hongkong denken nicht daran, eine Robin-Hood-Steuer oder Tobin Tax auf Finanzgeschäfte zu erheben. Deswegen hält man es in London für eine Milchmädchenrechnung, wenn sich die EU-Kommission von der europaweiten Einführung der Steuer zur Eindämmung der Spekulation 50 Milliarden Euro Einnahmen verspricht.

    Denn die Geschäfte würden einfach nach Asien oder Amerika verlagert. Keine zusätzlichen Steuereinnahmen also und kein Ende der Spekulation, stattdessen Arbeitsplatzverluste und geringere Steuereinkünfte in Europa. Osborne hat seinen EU-Kollegen vorgerrechnet, dass die Tax 995.000 Jobs kosten und das Sozialprodukt der EU um 3,5 Prozent verringern wird.

    Prinzipiell, betont der Finanzminister, sei man keineswegs gegen Finanztransaktionssteuern, schließlich erhebe man bereits stamp duties auf Aktien.

    Auf jeden Aktienkauf in Großbritannien muss der Anleger eine Abgabe von 0,5 Prozent zahlen - die sogenannte Stamp Duty Reserve Tax. Eine Stamp Duty gibt es ebenso auf Hausverkäufe, vergleichbar der deutschen Grunderwerbsteuer.

    Die Transaktionssteuer aber würde ausgedehnt auf den Anleihe- und Devisenmarkt, was einen gewaltigen bürokratischen Aufwand erfordert. Denn anders als Aktien sind Anleihen oder Devisen noch nirgendwo registriert - was notwendig ist, will man darauf Steuern erheben.

    Außerdem werde, so der Finanzminister, von den EU-Plänen einseitig Großbritannien betroffen - 80 Prozent der Steuer dürften in London erhoben werden, weil hier der Großteil der Finanzgeschäfte abgewickelt wird.

    Der Niedergang der traditionellen britischen Industrie vor drei Jahrzehnten wurde zum Teil kompensiert mit dem Ausbau der Finanzdienstleistungen, die heute fast 30 Prozent zum Bruttosozialprodukt des Vereinigten Königreichs beisteuern, eine Zahl, die von Bankkritikern als zu hoch angezweifelt wird. Unbestritten ist aber, dass der Finanzsektor für Großbritannien eine ähnlich hohe Bedeutung hat wie die Landwirtschaft für Frankreich oder die Industrie für Deutschland. Keine britische Partei würde es wagen, die Branche zu beschädigen.

    Schon gar nicht in der derzeitigen Lage, in der Großbritanniens Wirtschaft einfach nicht auf Touren kommt. Vorgestern hat Sir Melvyn King, Gouverneur der Bank of England, eine düstere Prognose gestellt:

    "Das Wachstum wird in den nächsten Quartalen erkennbar schwächer sein als in unserer August-Vorausschau. Es könnte in Großbritannien stagnieren bis Mitte nächsten Jahres."

    Aufs Jahr gerechnet, sei ein Wachstum von allenfalls einem Prozent erreichbar, aber auch eine Rezession will der Notenbankchef nicht ausschließen. Eine Entwicklung, die den rigiden Sparplan George Osbornes infrage stellt. Er will das Haushaltsdefizit von derzeit über 9 Prozent bis 2015 auf unter drei Prozent drücken will. Doch der Finanzminister hat ein Wachstum von fast drei Prozent zugrunde gelegt.

    Auch andere Kennziffern sind nicht gerade ermutigend. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 8,3 Prozent und somit auf dem höchsten Stand seit 17 Jahren. Jeder Fünfte zwischen 16 und 24 hat keinen Job. Und eine Geldentwertung von fünf Prozent lässt die britischen Haushalte ächzen.