Mit seiner eigenen Mischung aus Reggae, Hip-Hop, Beatboxing und Anklängen von jüdischen Gebetsgesängen hat Matisyahu mit mehreren Tophits ein weltweites Publikum begeistert. Zu Beginn seiner Musikerkarriere im Jahr 2004 trägt er noch die für strenggläubige Juden obligatorischen Schläfenlöckchen, einen langen Bart und Kippa.
"Ich bin nicht chassidisch, nicht fromm erzogen worden. Mir hat niemand gesagt: Du musst Dich so oder so anziehen. Als ich mich damals orthodox kleidete, da ging es mir um meine Identität. Ich wollte für mich klären, wer ich bin und woher ich komme. Jude zu sein und auf der Suche nach Spiritualität zu sein, war ein großer Teil davon. Zu der Zeit bedeutete für mich Spiritualität chassidisch zu sein. Deshalb entschied ich mich für dieses Aussehen. Es ging mir darum, mich selbst zu negieren, mich nicht durch Mode oder die materielle Welt auszudrücken."
In seiner Kindheit und für seine Familie in New York sind religiöse Bräuche nicht so wichtig. Erst nach Drogenexzessen als Teenager und nach verschiedenen Rehabilitationsversuchen wendet sich Miller dem jüdischen Glauben zu. Er wäre fast zusammen gebrochen, sagt Matisyahu. Ein strenggläubiges Leben nach festen Regeln hat ihm geholfen.
"Als Teenager habe ich meine Identität gesucht. Ich wollte herausfinden, was ich gerne mache, was ich gut mache. Musik war ein Teil davon. Ich war mit meinem Leben nicht glücklich und suchte etwas Neues. Eine Verbindung zu etwas. Mit Anfang 20 fand ich diese Verbindung im Judentum. Im orthodoxen Judentum suchte ich Antworten auf die Probleme in meinem Leben."
Orthodoxer Jude und zugleich Musiker zu sein, schien ihm zunächst unmöglich. Matisyahu dachte, ein Gott gefälliges Leben zu führen bedeute, alles aufzugeben, was ihm zuvor wichtig war.
"Obwohl ich schon früh Musiker werden wollte, gab es eine Zeit, wo ich das beiseitegeschoben habe. In der Tora gibt es die Idee, keinen Idolen zu folgen, keinen anderen Göttern zu dienen. Bildlich gesprochen soll es kein goldenes Kalb geben, einen von Menschen gemachten Gott, dem wir dienen. Ich war mir sicher: Um rein zu sein, um wirklich religiös zu werden, muss ich alles aufgeben. Sogar meinen eigenen Gott, der für mich die Musik war. Später dachte ich mir dann, wenn ich die Gabe habe, erfolgreich zu sein, Musiker zu werden, dann ist das Teil meiner Religiosität und dient etwas Größerem."
"Baut die Tempel wieder auf und die Krone der Herrlichkeit.
Vor 60 Jahren brannten wir in den Öfen
Gas versuchte uns zu ersticken
Aber es konnte mich nicht ersticken
Ich will mich nicht hinlegen, werde nicht einschlafen
Nach Übersee gekommen um frei zu sein
Verbannt die Dämonen aus dem Gedächtnis
Sie ändern ihren Namen und die Identität?
Haben Angst vor der Vergangenheit und der dunklen Geschichte
Warum werden wir von allen gejagt
Sie schneiden die Wurzeln ihres Stammbaums ab
Verstehen sie nicht, das ist kein Weg zum Leben"
Vor 60 Jahren brannten wir in den Öfen
Gas versuchte uns zu ersticken
Aber es konnte mich nicht ersticken
Ich will mich nicht hinlegen, werde nicht einschlafen
Nach Übersee gekommen um frei zu sein
Verbannt die Dämonen aus dem Gedächtnis
Sie ändern ihren Namen und die Identität?
Haben Angst vor der Vergangenheit und der dunklen Geschichte
Warum werden wir von allen gejagt
Sie schneiden die Wurzeln ihres Stammbaums ab
Verstehen sie nicht, das ist kein Weg zum Leben"
Mit seinen lyrischen Texten, die mal von Alltagsproblemen mal von spirituellen Werten handeln, ist Matisyahu zur Identifikationsfigur für viele junge Juden geworden. Und zum ersten chassidischen Reggae-Star.
"Das Lustige ist: Als meine Karriere begann, wurde der Chassidismus als mein Stil wahrgenommen. Ich wollte mich davon frei machen, mich durch Mode auszudrücken. Doch dann bekam ich das Label verpasst: der chassidische Reggae-Sänger. Damit identifizierten sich viele, das machte mich exotisch und anders. Aber das wollte ich gar nicht. Also habe ich mich rasiert, um mich von dieser Identität wieder zu befreien. Ich will durch einfache Kleidung zum Ausdruck bringen, dass ich kein spirituelles Vorbild sein will."
Heute tritt Matisyahu wie viele andere Sänger einfach in Jeans und T-Shirt auf. Statt religiöser Botschaften summt er beim Beatboxing Rhythmen zum Meditieren ins Mikrophon.
"Ich habe nicht versucht, mit meiner Musik die Menschen Gott näher zu bringen. Egal ob du orthodox bist oder nicht orthodox. Oder Muslim oder Atheist. Musik spricht von etwas Größerem. Ich höre von vielen: 'Ich bin Atheist, aber ich liebe deine Musik. Ich weiß nicht was Gott ist, aber deine Musik bringt mich an den Ort, wo ich Fragen stellen kann.' Darum geht es bei Gott: Fragen zu stellen. Viel zu oft versuchen religiöse Dogmen oder Ideologien uns glauben zu machen, sie hätten die Antworten. Mich interessiert am Judentum Fragen zu stellen."
Mit seiner ganz eigenen Mischung aus traditionellen jüdischen Gesängen und modernen Musikstilen ist Matisyahu inzwischen Vorbild für eine neue jüdische Generation, die ihren Glauben als Teil der modernen Kultur verankern will. Auch indem sie Fragen stellt.