Sie feiern, als könnten sie nie genug bekommen: Die Marktfrauen am Hafen von Abidjan. Auf ihre weißen T-Shirts haben sie Fotos von Alassane Ouattara gedruckt. Sie fühlen sich als Sieger. ADO, ihr Mann aus dem Norden, ist endlich Präsident.
"Solutions" – Lösungen: Das war Ouattaras Wahlkampfslogan. ADO, das sollten die Menschen wissen, habe Antworten auf alle Probleme des Landes. Die Erwartungen sind riesengroß. Seine Anhänger, seine Gegner - alle Menschen hoffen, dass es aufwärts geht. Dass die Plünderungen aufhören, dass es Arbeit gibt. Darauf wartet auch Até Konaté. Mit seinen Freunden sitzt er apathisch vor einem Bretterverschlag in Williamsville, einer der Ouattara-Hochburgen von Abidjan. Alle haben sie hier Angehörige verloren, als im März der Kampf ums Präsidentenamt eskalierte. Als Gbagbos Milizen Jagd machten auf Ouattara-treue Nordisten, die Nachkommen der Einwanderer aus dem Norden.
"Wenn ich eine Waffe gehabt hätte, ich hätte für Ouattara gekämpft. Ich hätte unser Land von diesen Verbrechern befreit, die unsere Frauen und Kinder niedergemetzelt haben. Ich hätte sie alle umgebracht. Wenn hier jetzt einer von Gbagbos Milizen vorbeikäme, er wäre ein toter Mann. Und daran wird sich nichts ändern, bis auf weiteres."
In den meisten muslimisch geprägten Vierteln ist der Hass auf Gbagbo und seine Truppen bis heute riesengroß. Der Ex-Präsident habe auf sein eigenes Volk schießen lassen, nur um seinen politischen Gegner zu schwächen. Der Kampf um die Macht wurde zum Krieg der Ethnien, und es scheint, als sei er noch lange nicht vorbei. Viele Zivilisten - Mechaniker, Taxifahrer, Metzger - melden sich zum Dienst bei den FRCI, den Ouattara-treuen Republikanischen Kräften der Elfenbeinküste - und schwören Rache. Eugene Djué macht das große Sorgen. Der enge Vertraute von Laurent Gbagbo und Gründer der gefürchteten Studentenorganisation FESCI ist selbst mit UN-Sanktionen belegt, seine Konten sind eingefroren, er darf nicht ausreisen. Aus Furcht vor Lynchjustiz versteckt er sich in einer Kaserne der Feuerwehr.
"Wir alle sind zu weit gegangen. Viel zu weit. Die Sieger mögen heute das Recht des Stärkeren durchsetzen wollen. Aber sie müssen wissen: Auch sie haben dazu beigetragen, dass die Elfenbeinküste heute am Boden liegt. Auch ich bin dafür mitverantwortlich, und ich bin weiß Gott nicht stolz darauf. Was geschehen ist, ist eine Schande für uns alle – wir haben alle mitgemacht bei der Zerstörung unseres Landes."
Damit spielt Djué auf die Massaker im Westen der Elfenbeinküste an, für die auch Ouattaras Truppen verantwortlich gemacht werden. Mehr als 800 Menschen sollen allein in Duékoué systematisch ermordet worden sein, weil sie zur Gbagbo-treuen Ethnie der Guéré gehörten. Alle Verbrechen müssten aufgeklärt werden, betont Djué. Und trotz allem - er glaubt an die Kraft der Ivorer zur Versöhnung. "Plus Jamais Cela" – "Nie wieder" – das sei nicht umsonst das Motto der Versöhnungskommission, die Präsident Ouattara eingesetzt habe. Bedauerlicherweise nicht mit einem unabhängigen Kopf an der Spitze, sondern mit einem seiner engsten Vertrauten, dem ehemaligen Premier Charles Konan Banny.
Wie theoretisch die wohlklingenden Szenarien von Recht und Versöhnung noch sind, zeigt sich in Abobo, dem mit fast zwei Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Stadtteil von Abidjan. Gerade hat Yusuf Konaté seine Nachbarin besucht. Ihre älteste Tochter wurde im März von Gbagbos Heckenschützen erschossen, auf dem Weg zum Markt. Yusuf Konaté ist auf dem Weg zur Moschee, er will für die Toten beten, und für Präsident Ouattara. Die Tränen laufen ihm übers Gesicht.
""Alle sind völlig traumatisiert. Die Kinder, die Eltern, alle. Man kann nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, es gibt keine Liebe mehr zwischen den Menschen. Wir sind am Ende. Wir brauchen Frieden. Ich hoffe, dass es dazu kommt. Wir dürfen nicht aufgeben oder den bösen Gedanken freien Lauf lassen, auch wenn das Gefühl der Rache stark ist. Gott gibt mir Kraft, und deswegen glaube ich an die Zukunft."
Mehr zum Thema bei dradio.de:
Wird die Elfenbeinküste ein zweites Somalia?
Azize Diabaté zur politischen Versöhnung in der Elfenbeinküste
Hintergrund: Der Konflikt in der Elfenbeinküste spitzt sich zu
"Solutions" – Lösungen: Das war Ouattaras Wahlkampfslogan. ADO, das sollten die Menschen wissen, habe Antworten auf alle Probleme des Landes. Die Erwartungen sind riesengroß. Seine Anhänger, seine Gegner - alle Menschen hoffen, dass es aufwärts geht. Dass die Plünderungen aufhören, dass es Arbeit gibt. Darauf wartet auch Até Konaté. Mit seinen Freunden sitzt er apathisch vor einem Bretterverschlag in Williamsville, einer der Ouattara-Hochburgen von Abidjan. Alle haben sie hier Angehörige verloren, als im März der Kampf ums Präsidentenamt eskalierte. Als Gbagbos Milizen Jagd machten auf Ouattara-treue Nordisten, die Nachkommen der Einwanderer aus dem Norden.
"Wenn ich eine Waffe gehabt hätte, ich hätte für Ouattara gekämpft. Ich hätte unser Land von diesen Verbrechern befreit, die unsere Frauen und Kinder niedergemetzelt haben. Ich hätte sie alle umgebracht. Wenn hier jetzt einer von Gbagbos Milizen vorbeikäme, er wäre ein toter Mann. Und daran wird sich nichts ändern, bis auf weiteres."
In den meisten muslimisch geprägten Vierteln ist der Hass auf Gbagbo und seine Truppen bis heute riesengroß. Der Ex-Präsident habe auf sein eigenes Volk schießen lassen, nur um seinen politischen Gegner zu schwächen. Der Kampf um die Macht wurde zum Krieg der Ethnien, und es scheint, als sei er noch lange nicht vorbei. Viele Zivilisten - Mechaniker, Taxifahrer, Metzger - melden sich zum Dienst bei den FRCI, den Ouattara-treuen Republikanischen Kräften der Elfenbeinküste - und schwören Rache. Eugene Djué macht das große Sorgen. Der enge Vertraute von Laurent Gbagbo und Gründer der gefürchteten Studentenorganisation FESCI ist selbst mit UN-Sanktionen belegt, seine Konten sind eingefroren, er darf nicht ausreisen. Aus Furcht vor Lynchjustiz versteckt er sich in einer Kaserne der Feuerwehr.
"Wir alle sind zu weit gegangen. Viel zu weit. Die Sieger mögen heute das Recht des Stärkeren durchsetzen wollen. Aber sie müssen wissen: Auch sie haben dazu beigetragen, dass die Elfenbeinküste heute am Boden liegt. Auch ich bin dafür mitverantwortlich, und ich bin weiß Gott nicht stolz darauf. Was geschehen ist, ist eine Schande für uns alle – wir haben alle mitgemacht bei der Zerstörung unseres Landes."
Damit spielt Djué auf die Massaker im Westen der Elfenbeinküste an, für die auch Ouattaras Truppen verantwortlich gemacht werden. Mehr als 800 Menschen sollen allein in Duékoué systematisch ermordet worden sein, weil sie zur Gbagbo-treuen Ethnie der Guéré gehörten. Alle Verbrechen müssten aufgeklärt werden, betont Djué. Und trotz allem - er glaubt an die Kraft der Ivorer zur Versöhnung. "Plus Jamais Cela" – "Nie wieder" – das sei nicht umsonst das Motto der Versöhnungskommission, die Präsident Ouattara eingesetzt habe. Bedauerlicherweise nicht mit einem unabhängigen Kopf an der Spitze, sondern mit einem seiner engsten Vertrauten, dem ehemaligen Premier Charles Konan Banny.
Wie theoretisch die wohlklingenden Szenarien von Recht und Versöhnung noch sind, zeigt sich in Abobo, dem mit fast zwei Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Stadtteil von Abidjan. Gerade hat Yusuf Konaté seine Nachbarin besucht. Ihre älteste Tochter wurde im März von Gbagbos Heckenschützen erschossen, auf dem Weg zum Markt. Yusuf Konaté ist auf dem Weg zur Moschee, er will für die Toten beten, und für Präsident Ouattara. Die Tränen laufen ihm übers Gesicht.
""Alle sind völlig traumatisiert. Die Kinder, die Eltern, alle. Man kann nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, es gibt keine Liebe mehr zwischen den Menschen. Wir sind am Ende. Wir brauchen Frieden. Ich hoffe, dass es dazu kommt. Wir dürfen nicht aufgeben oder den bösen Gedanken freien Lauf lassen, auch wenn das Gefühl der Rache stark ist. Gott gibt mir Kraft, und deswegen glaube ich an die Zukunft."
Mehr zum Thema bei dradio.de:
Wird die Elfenbeinküste ein zweites Somalia?
Azize Diabaté zur politischen Versöhnung in der Elfenbeinküste
Hintergrund: Der Konflikt in der Elfenbeinküste spitzt sich zu