Die Straßencafés in der Belgrader Fußgängerzone sind gut besucht. Der Espresso kostet kaum weniger als in Deutschland. Aleksander, 30 Jahre alt, kann sich das selten leisten. Der studierte Deutschlehrer wird bald Vater, und er ist arbeitslos, und zwar schon seit einigen Monaten:
"Ich habe gesehen, dass ein junger Mann mit vielen Qualitäten nicht eine richtige Position in dieser Gesellschaft bekommen kann. Alles hat mit Korruption und Verbindungen zu tun. Wenn Sie jemanden haben, der Ihnen hilft, dann können Sie vielleicht Fortschritte machen oder bekommen Sie einen Sessel."
So wie Aleksander geht es vielen in Serbien. Mehr als 400.000 Menschen haben in den letzten Jahren ihren Job verloren. Andere bekommen ihr Gehalt nicht rechtzeitig. Der Durchschnittslohn liegt ohnehin nur bei 370 Euro. Die Straßen in der Hauptstadt sind zwar voll geparkt, zum Teil mit edlen Geländewagen. Aber die gehören anderen. Der Frust sitzt tief:
"Unsere gesamte politische sogenannte Elite sollte sich ändern. Alle diese Politiker sind schlecht für unser Volk. Sie müssen alle weggehen, und wir brauchen richtige serbische Patrioten, richtige Politiker, die etwas Nützliches für unser Volk machen sollen, und nicht nur reden und reden und das Volk betrügen."
Für Aleksander gehören alle Politiker in den gleichen Topf. Am Sonntag, wenn in Serbien Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen gleichzeitig stattfinden, wird er deshalb zuhause bleiben. Und viele werden es ihm wohl gleich tun. Der Politikwissenschaftler Ognjan Pribicevic hat dafür auch noch eine andere Erklärung:
"Diese Wahl ist die erste seit 20 Jahren, bei der es nicht um eine historische Entscheidung geht. Die beiden größten Parteien, die allein fast zwei Drittel der Stimmen bekommen werden, stimmen in allen wichtigen außenpolitischen Fragen überein. Beide wollen in die EU, und auch bei der Kosovo-Frage ist ihre Position sehr ähnlich. Deshalb geht es im Wahlkampf hauptsächlich um Wirtschaft, um den Lebensstandard, um Arbeitslosigkeit, Themen, die auch anderswo in Europa den Wahlkampf bestimmen."
Fast alle, die zur Wahl gehen wollen, sagen, dass sie jener Partei ihre Stimme geben werden, der sie zutrauen, die Wirtschaft anzukurbeln und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Doch konkrete und glaubwürdige Rezepte vermisst der Politikwissenschaftler:
"Serbien steht vor gewaltigen Problemen. Wir haben so gut wie keine eigene Industrie, nichts, was wir exportieren könnten, dafür hohe Arbeitslosigkeit. Und es ist nicht erkennbar, wie die Wirtschaft wieder in Schwung kommen könnte. Selbst ein Genie an der Regierung hätte Schwierigkeiten, einen Weg zu finden."
Kurz vor dem Start des offiziellen Wahlkampfs im März hat Serbien den lang ersehnten Status eines EU-Beitrittskandidaten bekommen. Der bisherige Staatspräsident Boris Tadic und seine Demokratische Partei hoffen, davon zu profitieren. Doch den Wählern ist das Thema EU derzeit offenbar ziemlich gleichgültig, meint Michael Ehrke, der für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung das politische Geschehen in Serbien verfolgt:
"Ich würde so sagen: Der Teil der Bevölkerung, der für den EU-Beitritt ist, schrumpft und liegt irgendwo bei der Hälfte. Das waren aber über 70 Prozent vor ein paar Jahren. Das geht zurück, erstens. Uns zweitens bedeutet der Kandidatenstatus natürlich erstmal überhaupt nichts. Es bedeutet nur, dass ein Meilenstein passiert wurde. Es bedeutet nicht mehr Geld, nicht mehr Rechte. Und selbst wenn der nächste Schritt gemacht wird, Beginn von Verhandlungen, bedeutet das auch nichts."
Keine EU-Annäherung, wenn dies zugleich den Verzicht auf die ehemals serbische Provinz Kosovo bedeutet – diese Position hatten bis vor kurzem noch fast alle politischen Kräfte in Belgrad. Inzwischen beobachtet Michael Ehrke von der Friedrich-Ebert-Stiftung allerdings ganz allmählich ein Umdenken:
"Wenn man ein Referendum über Kosovo machen würde, hätte man eine Mehrheit dafür, dass Kosovo in Serbien verbleibt, auf jeden Fall. Wir haben selber eine Umfrage machen lassen, die zeigt, dass die große Mehrheit der Meinung ist, dass Kosovo in Serbien verbleiben sollte, aber eine noch größere Mehrheit sagt, dass das nicht der Fall sein wird. Das heißt, es setzt sich mit der Zeit ein gewisser Realismus durch, der anerkennt, dass dieses Land von Serbien aus nicht mehr zu regieren ist."
Serben im Kosovo, die einen serbischen Pass besitzen, dürfen an den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am Sonntag teilnehmen. Durchgeführt wird die Wahl dort allerdings nicht von serbischen Behörden, sondern von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
"Ich habe gesehen, dass ein junger Mann mit vielen Qualitäten nicht eine richtige Position in dieser Gesellschaft bekommen kann. Alles hat mit Korruption und Verbindungen zu tun. Wenn Sie jemanden haben, der Ihnen hilft, dann können Sie vielleicht Fortschritte machen oder bekommen Sie einen Sessel."
So wie Aleksander geht es vielen in Serbien. Mehr als 400.000 Menschen haben in den letzten Jahren ihren Job verloren. Andere bekommen ihr Gehalt nicht rechtzeitig. Der Durchschnittslohn liegt ohnehin nur bei 370 Euro. Die Straßen in der Hauptstadt sind zwar voll geparkt, zum Teil mit edlen Geländewagen. Aber die gehören anderen. Der Frust sitzt tief:
"Unsere gesamte politische sogenannte Elite sollte sich ändern. Alle diese Politiker sind schlecht für unser Volk. Sie müssen alle weggehen, und wir brauchen richtige serbische Patrioten, richtige Politiker, die etwas Nützliches für unser Volk machen sollen, und nicht nur reden und reden und das Volk betrügen."
Für Aleksander gehören alle Politiker in den gleichen Topf. Am Sonntag, wenn in Serbien Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen gleichzeitig stattfinden, wird er deshalb zuhause bleiben. Und viele werden es ihm wohl gleich tun. Der Politikwissenschaftler Ognjan Pribicevic hat dafür auch noch eine andere Erklärung:
"Diese Wahl ist die erste seit 20 Jahren, bei der es nicht um eine historische Entscheidung geht. Die beiden größten Parteien, die allein fast zwei Drittel der Stimmen bekommen werden, stimmen in allen wichtigen außenpolitischen Fragen überein. Beide wollen in die EU, und auch bei der Kosovo-Frage ist ihre Position sehr ähnlich. Deshalb geht es im Wahlkampf hauptsächlich um Wirtschaft, um den Lebensstandard, um Arbeitslosigkeit, Themen, die auch anderswo in Europa den Wahlkampf bestimmen."
Fast alle, die zur Wahl gehen wollen, sagen, dass sie jener Partei ihre Stimme geben werden, der sie zutrauen, die Wirtschaft anzukurbeln und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Doch konkrete und glaubwürdige Rezepte vermisst der Politikwissenschaftler:
"Serbien steht vor gewaltigen Problemen. Wir haben so gut wie keine eigene Industrie, nichts, was wir exportieren könnten, dafür hohe Arbeitslosigkeit. Und es ist nicht erkennbar, wie die Wirtschaft wieder in Schwung kommen könnte. Selbst ein Genie an der Regierung hätte Schwierigkeiten, einen Weg zu finden."
Kurz vor dem Start des offiziellen Wahlkampfs im März hat Serbien den lang ersehnten Status eines EU-Beitrittskandidaten bekommen. Der bisherige Staatspräsident Boris Tadic und seine Demokratische Partei hoffen, davon zu profitieren. Doch den Wählern ist das Thema EU derzeit offenbar ziemlich gleichgültig, meint Michael Ehrke, der für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung das politische Geschehen in Serbien verfolgt:
"Ich würde so sagen: Der Teil der Bevölkerung, der für den EU-Beitritt ist, schrumpft und liegt irgendwo bei der Hälfte. Das waren aber über 70 Prozent vor ein paar Jahren. Das geht zurück, erstens. Uns zweitens bedeutet der Kandidatenstatus natürlich erstmal überhaupt nichts. Es bedeutet nur, dass ein Meilenstein passiert wurde. Es bedeutet nicht mehr Geld, nicht mehr Rechte. Und selbst wenn der nächste Schritt gemacht wird, Beginn von Verhandlungen, bedeutet das auch nichts."
Keine EU-Annäherung, wenn dies zugleich den Verzicht auf die ehemals serbische Provinz Kosovo bedeutet – diese Position hatten bis vor kurzem noch fast alle politischen Kräfte in Belgrad. Inzwischen beobachtet Michael Ehrke von der Friedrich-Ebert-Stiftung allerdings ganz allmählich ein Umdenken:
"Wenn man ein Referendum über Kosovo machen würde, hätte man eine Mehrheit dafür, dass Kosovo in Serbien verbleibt, auf jeden Fall. Wir haben selber eine Umfrage machen lassen, die zeigt, dass die große Mehrheit der Meinung ist, dass Kosovo in Serbien verbleiben sollte, aber eine noch größere Mehrheit sagt, dass das nicht der Fall sein wird. Das heißt, es setzt sich mit der Zeit ein gewisser Realismus durch, der anerkennt, dass dieses Land von Serbien aus nicht mehr zu regieren ist."
Serben im Kosovo, die einen serbischen Pass besitzen, dürfen an den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am Sonntag teilnehmen. Durchgeführt wird die Wahl dort allerdings nicht von serbischen Behörden, sondern von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).