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Zwischenbericht zum Concorde-Absturz

Seit rund 24 Stunden liegt der Zwischenbericht vor, wie es zu dem Concorde-Unglück am 25. Juli kommen konnte. 113 Mensch sind bei dem Absturz ums Leben gekommen, darunter 97 Deutsche.

Claudia Sanders, Thomas Weinert, Wolfgang Labuhn, Barbara Schulte | 01.09.2000
    Das Überschallflugzeug mit der Flugnummer AF4590 startete vom Flughafen Charles de Gaulles aus. Nur wenige Sekunden blieb die Concorde in der Luft. Was dann geschah, versuchte am Tag des Unglücks die zuständige französische Staatsanwältin, Elisabet Senot, zu beschreiben:

    56 Sekunden nach Erteilung der Starterlaubnis funkte der Tower an die Concorde, dass ein Triebwerk in Flammen stehe. Der Pilot funkt zurück, 'Panne im Triebwerk 2'. Da er schon zu schnell ist, kann er den Start nicht mehr abbrechen. Der Kapitän versucht in einer Linkskurve, einen Ausweichflughafen zu erreichen - das Manöver misslingt.

    Die letzten Sekunden an Bord müssen dramatisch gewesen sein. In dem nun vorliegenden Bericht des französischen Untersuchungsamtes für Flugunfälle sind auch die letzten Dialoge im Cockpit aufgeführt worden:

    Um Punkt 16 Uhr 42 Minuten und 31 Sekunden gibt der Pilot das Startkommando. Exakt 42 Sekunden später entdeckt der Fluglotse Flammen, und warnt die Crew. Das Treibwerk 2 fällt aus, es wird abgeschaltet, das Fahrwerk lässt sich nicht mehr einfahren. Ein Versuch zu landen, doch um 16 Uhr 44 Minuten und 14 Sekunden sagt der Pilot nur noch "Zu spät".

    Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler hat ein 43 Zentimeter langes Metall-Stück die Tragödie ausgelöst. Es gehörte wohl nicht zu der Concorde, sondern zu einem vorher gestarteten Flugzeug. Die Concorde rollte mit hoher Geschwindigkeit über dieses Metallstück und ein Reifen platzte. Offenbar, so das Ergebnis im Zwischenbericht, ist die Startbahn nicht inspiziert worden. Dies geschieht für gewöhnlich regelmäßig. Wegen einer Feuerwehrübung ist diese Kontrolle allerdings abgesagt worden. Die Maschine mit geplatzten Reifen noch in den Griff zu bekommen, schien fast unmöglich. Wolf-Dieter Micheli vom Luftfahrpresseclub.

    Wolf Dieter Michaeli vom Luftfahrpresseclub: Man muss dazu wissen, dass die Concorde im Gegensatz zu anderen, normalen in der zivilen Luftfahrt eingesetzten Flugzeugen eine immens hohe Startgeschwindigkeit hat. Sie liegt bei etwa 380 Kilometern in der Stunde. Man kann sich vorstellen, ein Flugzeug aus 250 bis 260 Kilometern in der Stunde abzubremsen, ist fast schon unmöglich, insbesondere dann, wenn es zwei Drittel des Rollweges schon hinter sich gebracht hat - und dies dürfte auch bei der Concorde jetzt der Fall gewesen sein.

    Laut der Untersuchungskommission verursachten die Reifenfetzen Zitat: "direkt oder indirekt verschiedene Schäden an der Struktur und den Systemen des Flugzeugs".

    Erst versagt Triebwerk 2 völlig, das Triebwerk 1 verliert stark an Schubkraft. Mindestens ein Tank wird von den Splittern durchschlagen, Kerosin läuft aus gerät in Brand und verwandelt die Maschine in einen Feuerball.

    Doch auch ohne den Brand wäre es dem Piloten nur schwer möglich gewesen die Concorde noch sicher zu landen.

    Der Flugzeugexperte Andreas Späth: Bei der Concorde mit diesem heiklen aerodynamischen Problem beim Start, das die Concorde wegen ihrer Konstruktion hat und wegen der erhöhten Geschwindigkeit, die die Concorde hat und wegen der geringen Nähe zum Boden, die er hatte, hat er fast keine Chance mehr gehabt.

    Die Concorde ist eine französisch-britische Gemeinschaftsentwicklung. Als die Maschine im Januar 1976 zum ersten Mal in Paris an den Start rollte, symbolisierte sie die Zukunft. Der erste Flug einer Concorde ließ nicht nur die Weltöffentlichkeit staunen, sondern bewegte besonders die französische Nation. Aus Paris Barbara Schulte:

    Um 15 Uhr 38 am 2. März 1969 hob sich der Prototyp der Concorde 001 zum Jungfernflug in die Luft über der französischen Flugzeugbauerstadt Toulouse. Es war - so glaubten die Ingenieure damals - der Beginn eines Sieges der Technik über die Grenzen, die die Natur den Menschen auferlegt. Denn das elegante Flugzeug war dafür konzipiert, die doppelte Schallgeschwindigkeit zu erreichen. Als am vergangenen 25. Juli die einem weißen Raubvogel ähnelnde Concorde über dem kleinen Ort Gonesse bei Paris abstürzte, verglühte auch ein Mythos.

    Damals, 1969, schaute die Welt bewundernd nach Toulouse. Der Prototyp des Überschallflugzeuges war zwar noch nicht so schnell, wie die Concorde einmal sein würde. Die Mitarbeiter des Flugzeugbauers Sud Aviation waren jedoch begeistert. Der Techniker Michel Retiff, der beim ersten Flug mit dabei war, erinnert sich noch heute voller Stolz:

    Wir sind vom Flughafen von Toulouse gestartet, drehten nach links und sind weiter in Kreisen geflogen. Danach landeten wir auf derselben Landebahn, von der wir abgeflogen waren. Ich bin heute noch glücklich darüber, dass ich mit dabei sein durfte.

    Das französische Unternehmen, das sich später Aerospatiale nannte, kooperierte mit der British Aircraft Corporation, die später British Airways wurde. Beim 45. Übungsflug schaffte es die neue Maschine, die Schallgeschwindigkeit zu übertreffen. Den Fliegertraum von Mach 2, rund 2 200 Kilometer pro Stunde, erreichte das Superflugzeug erst Ende November 1970.

    Doch wegen seines horrenden Preises und des Ölschocks Mitte der 70er Jahre war das technische und ästhetische Wunder nie ein kommerzieller Erfolg. Nur 20 Concorde-Maschinen wurden gebaut. Dann wurde die Produktion gestoppt.

    Die Strecken London-Bahrain und Paris-Rio de Janeiro wurden schnell aus Kostengründen eingestellt. Ebenso gestrichen wurden die Flüge nach Caracas, Singapur, Mexiko und Washington. Bis zum tödlichen Unfall über dem Flughafen Charles de Gaulle flog die Concorde nur noch London, Paris und New York an.

    An dem eleganten Vogel haftete von Anfang an der Makel des Umweltschmutzfinks. Für den Überschallflug zwischen Paris und New York verbrauchte die Concorde 100 Tonnen Treibstoff. Und das in 17 000 Metern Höhe, einem Bereich, der besonders empfindlich ist für Verschmutzungen. Darüber hinaus entwickelten ihre 4 Rolls-Royce-Motoren einen Lärm, der jedes andere Flugzeug übertönte. Über diese Mängel sah man hinweg.

    Doch die technische Fragilität, die die Concorde immer wieder zeigte, erwies sich am 25. Juli als unheilvoll. Laut Paul Louis Arslanian vom Pariser Ermittlungsbüros reichte ein 40 Zentimeter kleines Metallstück und eine Feuerwehrübung, um den Mythos zum Absturz zu bringen:

    Wir wissen noch nicht, woher diese Metallstück stammt, offenbar von einem anderen Flugzeug. An diesem Tag gab es eine Übung der Feuerwehrleute und deswegen wurde die Inspektion der Startbahn verschoben.

    Der Bericht bestätigt auch die Befürchtungen, die Kritiker der Concorde seit langem hegen. Das Design des Flugzeugs macht es unsicher. Die notwendigen Änderungen sind kostspielig, und kämen einem Umbau der Maschine gleich. Auch nach einer derzeit unwahrscheinlichen Wiederaufnahme der Flüge würden die Fluglinien Air France und British Airways diesen teuren Umbau nach dem Trauma des Unfalls und dem Rückgang des Concorde-Umsatzes nicht finanzieren können.

    In der Flugzeugbauerstadt Toulouse trauert man schon heute um das Ende des Mythos:

    Die Concorde ist ein Traum, der platzte. Es bleibt eben nur ein Flugzeug, allerdings ein besonderes.

    Nächste Woche wollen britische und französische Experten über die Zukunft der Concorde noch beraten. Der schöne weiße Vogel wird wohl nicht mehr fliegen. Allenfalls ins Museum.

    Den vollständigen 'Hintergrund Politik' mit Beiträgen von Claudia Sanders, Thomas Weinert, Wolfgang Labuhn und Barbara Schulte können Sie hier als Real-Audio-Datei hören.