Musiktheatralischer Maximalismus – das war die erste Opernpremiere der diesjährigen Salzburger Festspiele. Der dirigierende Anarcho-Zar Teodor Currentzis und seine Permer MusicAeterna-Klangkörper schossen mit Mozarts letzter Oper "La Clemenza di Tito" ein philologisch höchst unkorrektes Musikfeuerwerk vor den Arkadenbögen der riesigen Felsenreitschule ab.
Pfeilschnell, zeitlupenlahm nahm Currentzis die Tempi, inszenierte fantasierende Zwischenspiele, baute nebenbei noch Ausschnitte aus Mozarts Großer Messe in c-Moll ein und schickte seinen Bassetthornisten für ein Liebesduett mit dem rasenden Sesto auf die Bühne. Der amerikanische Starregisseur Peter Sellars braucht zwar keine große Kulissenmaschinerie – ihm genügte die Masse der fabelhaften Chorsänger, die er als Kriegsflüchtlinge unserer Tage über die Bühne jagte. Flüchtlingskrise, Willkommenskultur und importierter islamistischer Terrorismus sind die Stichwörter, die Sellars in beste Choreografie packte.
Musikalischer und szenischer Minimalismus bei den drei Monteverdi-Opern
Doch der britische Altmeister historisch informierter Aufführungspraxis, John Eliot Gardiner, dagegen, bewies, dass die großen Gefühle und noch größeren Menschheitsfragen auch ohne Gedöns vermittelt werden können. Gardiner zeigt mit seinem wunderbaren Monteverdi Chor und seinen nicht minder beeindruckenden Englischen Barocksolisten die drei von Claudio Monteverdi erhaltenen Opern "Orfeo", "Ulisse" und "Poppea" – an drei aufeinander folgenden Abenden, halbszenisch, leise, behutsam, anmutig und musikantisch und, wenn es sei muss, auch mal eruptiv. Gardiners musikalischer und szenischer Minimalismus (er führte auch Regie zusammen mit Elsa Rooke) ging auf andere Weise ebenso zu Herzen wie Currentzis‘ "Titus".
Auch Gardiners Sängerensemble war vom Feinsten: Hana Blaziková als Euridice und Poppea mit traumhaft schlankem Sopran, Lucile Richardot als Penelope mit markerschütterndem Mezzo und mit Kangmin Justin Kim als Nero mit quecksilbrigem Coutertenor, um nur diese drei stellvertretend für das gesamte Solistenensemble zu nennen. Sie alle haben uns Monterverdi einmal mehr als großen Menschenkenner und musikdramatisches Genie nahe gebracht, das sich weder hinter Shakespeare, noch hinter Mozart und Wagner verstecken muss.
Fulminanter Abschied
Salzburg ist großes Opernglück. Und Konzertglück in diesen Tagen nicht minder. Bernard Hatink dirigierte die Wiener Philharmoniker zum 175-jährigen Jubiläum der Truppe. Es war ein wenig wie ein fulminanter und zugleich stiller Abschied eines großen Dirigenten, wie die 9. Symphonie von Gustav Mahler, die auf dem Programm stand.
Das Gespräch mit Musikredakteur Christoph Schmitz können Sie sieben Tage online nachhören.