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Zwischenbilanz
Keine belastbaren Zahlen des AfD-Meldeportals in Hamburg

Die Hamburger AfD startete jüngst ein Portal im Internet, über das Schüler und Eltern angebliche Verstöße gegen die Neutralitätspflicht von Lehrern melden können. Wie viele der Meldungen ernst zu nehmen sind, kann die AfD bislang nicht sagen - es gab eine Menge satirische Einträge.

Von Axel Schröder |
    Ein Schulkind liegt niedergeschlagen auf seiner Schulbank.
    Nach AfD-Angaben gab es über 10.000 Meldungen. Einige drehten sich jedoch um Frischkäsebrote. (imago/Thomas Eisenhuth)
    Alexander Wolf fühlt sich bestätigt: Die harschen Reaktionen auf das Internetportal der Hamburger AfD zeigten, dass seine Partei damit einen wunden Punkt getroffen hätte. Manche Lehrer, so Wolf, würden sich ertappt fühlen. An immer mehr deutschen Schulen herrsche offensichtlich ein "repressives Meinungsklima", so der AfD-Politiker.
    "Das ist in unseren Augen, in meinen Augen tatsächlich so. Es ist klar, dass das nicht für alle Lehrer zutrifft. Aber es taucht doch so häufig auf, uns haben so viele Meldungen erreicht."
    Und diese nach Angaben der AfD mehr als 10.000 Meldungen werde in erster Linie er selbst zusammen mit einem Mitarbeiter auswerten.
    "Wir sichten das und werden dann - die Verantwortung trage letztendlich ich - gemeinsam entscheiden: Ist da was dran? Legen wir das der Behörde vor oder nicht?"
    Satirische Kritik
    Wie viele der über das Portal hochgeladenen Meldungen tatsächlich ernstzunehmen seien, könne die AfD Hamburg bislang nicht sagen. Seit dem Start vor vier Wochen gab es etliche Einträge, in denen das Portal an sich, zum Teil in satirischer Form, kritisiert wurde. Veröffentlicht wurden einige dieser Einträge später in sozialen Netzwerken.
    "Ein Lehrer macht in der Oberstufe offen Wahlwerbung für eine braunrechts-versiffte Gruppierung, die mit 'A' anfängt und mit 'FD' aufhört. Ist dies zulässig?"
    "Hab heute in der Schule ein Brot mit Frischkäse gegessen. Aber die Anderen meinten, dass Nutella besser wäre. Will aber die braune Scheiße nicht essen. Was nun?"
    Rechtlich beanstanden ließe sich das Meldeportal nicht, erklärt Dirk Mescher von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Dass aber in den Klassenzimmern der Stadt Schülerinnen und Schüler indoktriniert und eingeschüchtert würden, sei eine haltlose Unterstellung der AfD:
    "Im Gegenteil! Es ist so, dass über so ein Portal, wo anonym die Möglichkeit gegeben ist, Lehrkräfte anzuschwärzen, ein Klima der Einschüchterung entsteht. Die AfD macht genau das, wovor sie da angeblich warnen will."
    Wenn es Verstöße gegen den sogenannten "Beutelsbacher Konsens", der eine politische Indoktrinierung der Schüler verbietet, an Hamburger Schulen gebe, könnten diese den dafür vorgesehenen Stellen gemeldet werden, also den Vertrauenslehrer oder der Schulleitung. Auf diese Möglichkeit weist auch die AfD auf ihrer Internetseite hin.
    Fakt oder Medienphänomen?
    Liam Zergdjenah, der Landesvorsitzende der Hamburger Schülerkammer, geht davon aus, dass die Lehrerschaft ausgewogen über das deutsche Parteiensystem informiert:
    "Und das bestätigen uns die Gespräche mit den Schülersprechern, auch mit den Lehrkräften und auch der Behörde für Schule und Berufsbildung, die das ja auch entschieden zurückgewiesen hat."
    Belastbare Zahlen über etwaige Verletzungen der Neutralitätspflicht durch Lehrer liegen der Hamburger Schulbehörde nicht vor, erklärt ein Sprecher. Einige Nachfragen bei Schulen hätten ergeben, dass es diese Fälle gebe, ihre Zahl liege aber im niedrigen einstelligen Bereich. Und wie neutral würde AfD-Fraktionschef Alexander Wolf, wäre er ein Lehrer, mit seinen Schülern über die AfD sprechen? Welches Thema würde er im Unterricht diskutieren?
    "Ich würde versuchen zu kontrastieren: was ist in der Realität tatsächlich da? Gibt es einen Rechtsruck oder ist das ein Medienphänomen, was auch ein Stück weit hochgespielt wurde, während die Fakten vielleicht ganz andere sind!"
    Den Schülern würde er erklären, so Wolf, dass es keinen Rechtsruck in seiner Partei gebe, sondern viel mehr Bemühungen, diesen zu verhindern. Er würde das schließlich aus erster Hand wissen, so Wolf. Die Frage bleibt, ob das tatsächlich noch neutraler Unterricht wäre oder nicht doch schon ein Fall, der gemeldet werden müsste.