Vor einem Jahr meldete der deutschen Buchgroßhändler Koch, Neff & Volckmar – kurz: KNV – Insolvenz an. Vor ihr ist der größte der drei deutschen Zwischenbuchhändler mittlerweile bewahrt worden. Die Berliner Logistik-Gruppe Zeitfracht hat KNV im Sommer 2019 übernommen. Doch die KNV-Pleite zeigte, wie fragil der Buchmarkt an dieser entscheidende Scharnierstelle zwischen Verlag und Buchhandel ist.
Miriam Zeh: Frau Munk, Sie sind Vertriebschefin bei Umbreit, dem kleinsten der drei deutschen Zwischenbuchhändler. Bevor wir über Herausforderungen sprechen, mit denen sich die Branche in Zukunft konfrontiert sehen wird, können Sie zum Einstieg erläutern, wofür es den Zwischenbuchhandel eigentlich brauch? Das Element ist für den Leser und die Käuferin in der Regel schließlich unsichtbar - warum aber wichtig?
Solvey Munk: Ein Leser ist tatsächlich nicht sehr vertraut mit dem Zwischenbuchhandel. Ein Zwischenbuchhandel ist das Barsortiment in unserem Fall. Wir stehen zwischen Verlag und Buchhandlung. Die Buchhandlungen - unabhängig davon, ob es ein stationärer Buchhändler ist oder auch ein Online-Händler - nutzt uns als, wie wir das immer sagen: Hintergrundlager. Hintergrundlager deshalb, weil wir sehr schnell liefern. Der Kunde kann in der Regel bis 18 Uhr bei uns bestellen, bekommt seine Lieferung am nächsten Tag und ist sehr beweglich, eben sehr schnell, um seine Kunden zu bedienen.
Auch Amazon auf Barsortiment angewiesen
Zeh: Nun gibt es für Leser oder Käuferinnen verschiedene Wege, um an sein oder ihr Buch zu kommen. Einen haben Sie schon genannt: Ich gehe in die Buchhandlung. Gibt es das Buch, das ich haben möchte, dort nicht vorrätig, kann mein Buchhändler oder meine Buchhändlerin es in der Regel zum nächsten Tag bestellen. Wie sieht es aber aus, wenn ich zum Beispiel ein Buch im Online-Shop eines entsprechenden Verlages bestelle oder beim Versandhändler Amazon. Sind da auch Barsortimenter wie Umbreit beteiligt?
Munk: Auch dort sind die Barsortimente beteiligt, eben wegen der Schnelligkeit, auch bei Online-Händlern. Manche von ihnen haben ein eigenes Lager, manche haben kein eigenes Lager. Die Bestellungen bei Barsortiment sind in der Regel mit einer sehr kleinen Bündelung. Verlagsbestellungen in Einzelstücken sind einfach sehr schwierig, sehr teuer und dauern sehr viel länger. Online-Händler sind in dieser Ausprägung ganz ähnlich organisiert wie auch ein klassischer stationärer Buchhändler.
Zeh: Also beliefern Sie auch Amazon?
Munk: Wir beliefern unter anderem auch Amazon, ja.
Spätfolgen der KNV-Insolvenz
Zeh: Nun ist die Insolvenz des größten Barsortimenters KNV ein Jahr her. Eine Erschütterung und auch eine Zeit der Unsicherheit, vor allem bei unabhängigen Verlagen, liegt hinter der Branche. Ein Ausgleichsfond für ausbleibende Zahlungen von KNV, den der Börsenverein mit Unterstützung der Zeitfracht-Gruppe aufgesetzt hat, wurde gerade erst letzte Woche noch einmal erhöht. Wie hat sich der Markt Ihrer Einschätzung nach erholt oder verändert nach dieser Pleite? Haben da die anderen profitiert von dem Vertrauensverlust in KNV?
Munk: Ja, natürlich. Der Markt ist unglaublich hellhörig geworden und es ist sehr viel in Bewegung. Der Kunde heute erwartet eine perfekte Leistung, auch der Kunde draußen, der Kunde der Buchhandlung. Die Ware muss schnell kommen. Diese Zuverlässigkeit ist noch einmal sehr stark ins Bewusstsein gekommen. Und auch das Bewusstsein für die Kostenproblematik. insbesondere in der Logistik ist, glaube ich, bei sehr vielen noch mal gestiegen.
Zeh: In einem Interview mit dem Börsenblatt sagen Sie, Frau Munk, dass die Barsortimenter gerade auf dieser logistischen Seite noch in Bedrängnis kommen könnten, und zwar durch das Klimapaket. Wie meinen Sie das?
Munk: Eigentlich sind wir schon jetzt alle in Bezug auf die Logistik in Bedrängnis. Die Logistik ist unglaublich teuer. Wir fahren tatsächlich von Bietigheim bis nach Kappeln an der Schlei - jede Nacht! Wir fahren circa 50.000 Kilometer jede Nacht. Das ist ökologisch und ökonomisch ein wirklich großes Problem. Die Gebühren, die wir von den Buchhandlungen für die Zustellung der Ware bekommen, reichen bei Weitem nicht, um diese Logistikkosten abzudecken. Die müssen von den Erträgen aus dem Barsortiment mitbezuschusst werden. Obendrein fahren wir sechsmal die Woche bundesweit, also auch von Samstag auf Montag. Das Klimapaket, das die Bundesregierung angekündigt hat, wird viele Verteuerungen in diesem Bereich mitbringen. Es wurde angekündigt, dass der Sprit sehr viel teurer wird. Es werden Fahrverbote in den Städten kommen. Wie das bewältigt wird, an diesen Fragen arbeiten wir alle, weil unsere Leistungen im Buchhandel gebraucht werden in Konkurrenz mit dem Online-Handel. Ich glaube nicht daran, dass man von dieser Schnelligkeit der Belieferung so einfach nochmal abgehen kann.
Logistik-Kooperationen werden diskutiert
Zeh: Und wie könnten konkrete Lösungen für die Barsortimenter aussehen?
Munk: Letztendlich kann es nur mit Kooperation gehen, entweder zwischen den Barsortimenten. Wir fahren alle drei manchmal dieselben Kunden an. Der Markt verändert sich ja auch insofern, als es Schließungen im Handel gibt. Also werden die Leerfahrten zwischen den einzelnen Ablagestationen länger. Das kostet Geld. Wir könnten uns logistisch zusammenschließen, obwohl wir Konkurrenten sind. Man muss sich auf der Straße nicht unbedingt Konkurrenz machen. Aber es gibt natürlich auch Möglichkeiten, mit anderen Branchen zu kooperieren, die ähnliche Leistungen bringen.
Zeh: Konzentrationsprozesse dominieren bereits den Buchmarkt, nicht zuletzt den Buchhandel. Gäbe es für solche Kooperationslösungen Ihrer Einschätzung nach grünes Licht im Kartellamt?
Munk: Das hängt sicherlich davon ab, wie man solche Kooperationen aufbaut. Wir hatten eine Transportkooperation mit KNV und tatsächlich war die nur auf der Straße. Sie lief leider nur zwei Jahre, dann kam die Insolvenz. Ich denke, es hängt vom Konstrukt ab, wie eine solche Kooperation zustande kommt und wenn wir darüber hinaus alle unsere eigene Unternehmenspolitik mit Konditionen usw. fahren, dann wäre es ja eine reine Kooperation - unabhängig davon, was wir an die Buchhandlungen dann auch an Logistikgebühren weiterberechnen. Aber diese Dinge sind so im Detail noch nicht geprüft, weil die Gespräche jetzt erst laufen.
Nachhaltigkeit in der Buchbranche
Zeh: Es gab im letzten Jahr einige Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit in der Buchbranche zu beobachten. Immer mehr Verlage liefern ihre Bücher zum Beispiel ohne Schutzfolie aus. War das ein sinnvoller Schritt, Ihrer Meinung nach, Frau Munk? Oder sehen Sie noch an anderer Stelle ökologischen Nachbesserungsbedarf?
Munk: Ich glaube, jedes Unternehmen und jede Branche kann sich noch weitere Maßnahmen überlegen. Ob der Verzicht auf die Folie der Weisheit letzter Schluss ist, sei mal dahingestellt. Wichtig finde ich, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, dass wir sehr viel Folie, Plastik und auch andere Ressourcen verbrauchen für Dinge, die - wenn man genau hinschaut - sicherlich nicht ganz so wichtig sind. Im Börsenverein wird es ein Klimaschutz-Manifest geben, für das sich jeder freiwillig verpflichtet, bei vielen Dingen genauer hinzusehen. Angefangen: Mit welchen Dingen wird im Unternehmen geputzt? Wie wird geheizt? Wir zum Beispiel heizen hier den Teil der Gebäude, die Anfang der 2000 gebaut wurden, mit Erdwärme.
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