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Zwischenfazit der Sondierungsgespräche
Optimismus trotz vieler strittiger Fragen

Bei den Sondierungsgesprächen für die Bildung einer Koalition aus Union, FDP und Grünen herrschte zuletzt verhaltener Optimismus. Ob der aber ausreicht, damit die Parteien konkrete Koalitionsverhandlungen aufnehmen können, ist noch unsicher. Entscheidend wird das Treffen der Parteichefs am Sonntag sein.

Von Theo Geers | 11.11.2017
    Politiker nehmen an der Fortsetzung der Sondierungsverhandlungen am 26.10.2017 in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen, teil. L-r: CDU-Generalsekretät Peter Tauber, Ministerpräsident von Hessen, Volker Bouffier (CDU), Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion Thomas Kreuzer, CDU-Fraktionschef Volker Kauder, Ministerpräsident aus Bayern Horst Seehofer (CSU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU), Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), Generalsekretär der CSU, Andreas Scheuerer und Jens Spahn (CDU).
    Sondierungsgespräche (Wolfgang Kumm/dpa)
    Druckreife Kompromisse gab es trotz etlicher Papiere noch nicht, die Jamaika-Sondierer sprachen dennoch unisono von Fortschritten und gaben sich optimistisch.
    "Wir sehen jetzt nächste Woche zuversichtlich entgegen. Die Woche der Entscheidung steht an und ich glaube, dass wir eine gute Grundlage geschafft haben, dass die Verhandlungsführer am Wochenende weiter arbeiten und sich konzentrieren können auf die wichtigen Punkte."
    So klang es am Nachmittag bei Michael Grosse-Brömer für die CDU. Am Sonntag wollen die sechs Verhandlungsführer – Angela Merkel und Horst Seehofer für CDU und CSU, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki für die FDP und Katrin Göring-Eckard und Cem Özdemir für die Grünen – die Zwischenergebnisse bewerten, die bis jetzt erzielt wurden. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer erklärte, es sei gelungen, eine Reihe von Dissensen aufzulösen, aber mit Blick auf die übrigen Themen schwankte auch sie zwischen Zuversicht und Skepsis.
    Finanzierung oftmals noch offen
    "Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass es einen gemeinsamen Rahmen geben kann für was wir gemeinsam erarbeiten wollen. Es werden aber noch einige Meter zurückgelegt werden müssen."
    CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte als Beispiel für Übereinstimmungen bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte oder den Ausbau des schnellen Internets vor allem in den ländlichen Räumen, allerdings ist allein bei Letzterem der Finanzvorbehalt groß angesichts möglicher Kosten von 20 Milliarden Euro. So gibt es auch in den teilweise ausformulierten Texten viele Vermerke in eckigen Klammern.
    "Von daher ist alles soweit im Plan, trotzdem: Die sogenannten Klammertexte werden noch einige Schweißperlen nach sich ziehen."
    Am Abend wurden noch die Themen Wirtschaft und Verkehr, Landwirtschaft, Familie, Außenpolitik und Verteidigung, Klima, Energie und Umwelt aufgerufen – hier überwogen nach Teilnehmerangaben jedoch die Rückschritte.
    Einigungen werden schnell dementiert
    "Wir wissen, dass wir vor einem Berg von Problemen stehen, wenn ab Sonntag die Themen auch zu entscheiden sind", räumte denn auch Horst Seehofer nach Ende der Gespräche ein, bevor er in seinen Dienstwagen stieg. Am Sonntag muss er wieder ran. Beispiel Außenpolitik: Einig ist man sich, die deutsch-französische Zusammenarbeit zu vertiefen oder auf Emmanuel Macron zuzugehen vor allem nach dem Brexit. In eckigen Klammer stehen unter anderem weiter der Umgang mit Rüstungsexporten.
    Nach diesem Strickmuster läuft es auch in anderen Bereichen, wobei manche Einigung zwar kolportiert aber auch ebenso schnell dementiert wird. In der Verkehrspolitik etwa wurden Meldungen, es gebe eine Einigung über die Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge, dementiert.
    Offen ist auch weiterhin die Aufteilung des Finanzspielraums, der nach der gestrigen Steuerschätzung mit 30 Milliarden Euro für vier Jahre beschrieben ist. FDP-Lindner rückte im Interview mit dem Spiegel von seiner Wahlkampfforderung ab, den Soli komplett ab 2019 abzuschaffen. In einem ersten Schritt könne dies für Einkommen bis 50.000 Euro gemacht werden. Diesen Vorschlag hatte er schon im März unterbreitet, die Kosten für diesen Schritt: Mindestens sechs Milliarden Euro pro Jahr – mal vier Jahre ergäbe 24 Milliarden Euro – ein Großteil des Spielraums von 30 Milliarden wäre aufgebraucht.