Russland begeht heute den "Tag Russlands". Er ist der Unabhängigkeitserklärung vor 24 Jahren gewidmet. Aber das wissen nur wenige Russen. Und sie erinnern sich an dieses Ereignis nicht gern, denn viele empfinden das Ende der Sowjetunion als Schmach.
Russland hat seit der Unabhängigkeit viel durchgemacht. Viele Menschen haben die Freiheit verteidigt. Daran musste ich gestern Abend denken, als ich mit dem Oberleitungsbus über den "Platz des freien Russlands" fuhr. 1993 standen dort Panzer und beschossen das Parlament. Auf dem Platz kämpfte Boris Jelzin für ein demokratisches und freies Russland. An all das dachte ich gestern Abend, positiv gestimmt, ausnahmsweise hatte sogar der Bus freie Fahrt - normalerweise ist dort Stau.
Kriegspropaganda im Fernsehen
Als ich spät nach Hause ging, sah ich dieses Graffito auf dem Pflaster, nur wenige Ecken vom "Platz des freien Russlands" entfernt. Seit Monaten vergiftet das russische Fernsehen die Zuschauer mit Kriegspropaganda, verbreiten die staatlich gelenkten Medien Nachrichten, deren Wahrheitsgehalt derart hanebüchen ist, dass ich mich frage, wer das alles glauben soll. Da ist vom Genozid am russischen Volk in der Ukraine die Rede. Offensichtlich macht sich kein Verantwortlicher Gedanke darüber, was ein Genozid ist. Fernsehkanäle, die das zeigen, sind über jeden Verdacht der Unabhängigkeit erhaben. Es gibt in Russland keinen relevanten freien Journalismus mehr.
Beim D-Day-Gedenken in der Normandie behauptete ein Historiker zur besten Sendezeit, dass die Alliierten in der Normandie vor allem deshalb gelandet seien, um den Vormarsch der Sowjetunion aufzuhalten. Einer der führenden Fernsehpropagandisten, Dmitrij Kiseljow, behauptete vor ein paar Wochen sogar, Russland sei das einzige Land, das die USA zu nuklearem Staub zermalmen könne. Es macht sprachlos, dass der Hass jetzt sogar auf Bürgersteigen geschürt wird. Warum braucht das freie Russland Feinde?