"Ihre neuen Alben kommen ganz ohne hervorgekehrte Spiritualität oder gar konfessionelle Agenda aus – es sei denn, man will in der Biophilie unbedingt eine Naturreligion erkennen. Jenen Zugang zur Welt, der vom Sozialpsychologen und Philosophen Erich Fromm (1900 – 1980) in Abgrenzung zur Nekrophilie (unter der Fromm wiederum die Liebe zum Unbelebten und Toten, nicht etwa Leichenschändung verstand) geprägt und bekannt wurde, zitiert nicht nur Björk im Titel ihres neuen Albums ‚Biophilia‘ (…)."
Ja, solche Sätze waren es, die mich 2011 aus der Bahn geworfen haben. Der Text stammt von Jan Kedves, damals Chefredaktuer der "Spex", zum Album Biophilia der Isländerin Björk.
Für tot erklärt
Die Fromm‘sche "Liebe zum Unbelebten", die hatte ich nie für die "Spex". Ein, zwei, drei, vier: Durch vier Hefte habe ich mich gequält – um die "Spex" am Ende doch für mich für tot zu erklären.
Halt! Ja, die "Spex" hat den Pop-Diskurs und Pop-Journalismus salonfähig gemacht. Schön und gut. Aber die "Spex" war auch immer das dickste und härteste Brett, das es zu bohren gab – quasi die "FAZ" des Pop-Journalismus. Die Texte: bis zur Unleserlichkeit gedehnt und hypotaktisch zergliedert. Musikgenres und –untergenres bis ins Kleinste nach "Post" und "Proto" klassifiziert. Und beim Lesen der Plattenkritik sollte man immer den Einführungstext zu Alain Badiou und Michel Foucault bereithalten.
Pop-Debatte ist nun selbstverständlich und entspannt
Die allzu verkopfte "Spex" hatte meine Liebe nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich (Jahrgang 81) einfach aus einer anderen Generation komme, die die "Spex" als Zentralorgan der Pop-Debatte nicht mehr brauchte, weil diese Debatte ja schon selbstverständlich war und man sie viel entspannter führen konnte.
Die Bäume im Musikblätterwald werden gefällt – einer nach dem anderen. Und so weine ich doch auch der "Spex" nach: Wer wird jetzt dem Popzirkus kritisch und unabhängig begegnen? Die Influencer und Blogger?
Herrje!