Archiv

Zypern-Gespräche
"Karten liegen relativ nah beieinander"

Bei den geplanten Gesprächen zur Wiedervereinigung Zyperns wird es auch um Territorien verhandelt. Die Gespräche böten die beste Chance auf eine Wiedervereinigung des griechischen und türkischen Teils, sagte Hubert Faustmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung Nikosia im DLF. Es sei aber nicht - wie von manchen behauptet - die letzte.

Hubert Faustmann im Gespräch mit Doris Simon |
    Das mit dem Bildgebungs-Radiospektrometer Moderate-resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) der NASA erzeugte Bild zeigt die Insel Zypern.
    Zypern, aus dem All fotografiert. (picture alliance/dpa/NASA/Modis)
    Doris Simon: Zugehört hat Hubert Faustmann. Er lebt seit vielen Jahren auf Zypern, ist Politologe und Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Nikosia, jetzt am Telefon. Guten Tag!
    Hubert Faustmann: Schönen guten Tag!
    Simon: Herr Faustmann, wir haben es jetzt häufiger gehört: Das sei die letzte Chance heute für eine Wiedervereinigung Zyperns. Ist die Fallhöhe Ihrer Meinung nach berechtigt? Sehen Sie das auch so?
    Faustmann: Wir werden es erst später wissen. Es ist mit Sicherheit die beste Chance für eine Wiedervereinigung der Insel, auch wenn das im zypriotischen Kontext leider nicht so arg viel zu heißen hat. Aber es gibt die Möglichkeit, dass es klappen könnte diesmal. Ob es die letzte Chance ist, wird man wissen, wenn die Gespräche nicht zum Erfolg geführt haben, wenn wir wissen, wie die Reaktionen der beteiligten Seiten aussehen. Es kann gut sein, dass wir uns in ein paar Jahren wieder mit dem gleichen Thema hier im Radio unterhalten und ähnliche Hoffnungen haben. Die Hoffnung bleibt aber auch, dass es diesmal vielleicht anders sein könnte und wir eine Lösung finden. Aber im schlimmsten Fall könnte es zum Beispiel auch zu einer Annexion des Nordens durch die Türkei kommen, wenn alles schiefläuft. Und dann haben wir eine ganz neue Situation auf der Insel. Also es ist einiges möglich hier.
    Simon: Wenn wir jetzt mal auf die Verhandlungen in Genf schauen, wo liegen da die Knackpunkte?
    Faustmann: Es gibt einige. Man ist sich immer noch nicht ganz einig, wie diese Machtteilung auf der Insel zwischen beiden Volksgruppen aussehen soll. Da ist man sich relativ nah. Aber die griechisch-zypriotische Seite hat der türkisch-zypriotischen Seite noch nicht die rotierende Präsidentschaft zugestanden, die für sie wichtig ist. Das wird allerdings aus meiner Sicht kommen.
    Simon: Das heißt, abwechselnd immer ein türkischer Zyprer und ein griechischer Zyprer als Präsident?
    Faustmann: Genau. Das ist zwar für die griechischen Zyprioten schwer verdaulich, aber für die türkischen Zyprioten unbedingt wichtig, um diese politische Gleichheit zu signalisieren. Und aus meiner Sicht wird diese Konzession auch kommen. Sie wird aber noch zurückgehalten. Man ist auch noch in Details sich nicht ganz einig, wie die Machtverteilung in einzelnen Entscheidungsvorgängen aussehen soll. Da gibt es noch Dinge zu klären. In der Eigentumsfrage, da geht es vor allem, aber nicht nur um das Eigentum, das griechische Zyprioten 1974 verloren haben. Da gibt es noch viele Details zu klären und es sind noch zentrale Fragen offen. Dies schließt auch die Finanzierung dieser Lösung ein, weil viele wohl, die nicht zurückkehren können, entschädigt werden sollen. Und wer das finanzieren soll und wie teuer das wird, ist eine der großen Fragen. Territorium - da gab es gestern große Fortschritte dahingehend, dass zum ersten Mal Karten auf den Tisch gelegt wurden. Und die Karten liegen auch relativ nah beieinander.
    Simon: Worum geht es da konkret?
    "Es geht darum, wie viel Territorium zurückgegeben werden soll"
    Faustmann: Da geht es darum, wieviel Territorium, das von der Türkei 1974 erobert wurde und das dann Teil des türkisch-zypriotischen Gemeinwesens oder nicht anerkannten Staates wurde, an den griechisch-zypriotischen Bundesstaat zurückgegeben werden soll.
    Simon: Wieso ist das denn wichtig, Herr Faustmann, wenn man doch künftig in einem wiedervereinigten Zypern leben will?
    Faustmann: Es geht natürlich darum, wie viele der vertriebenen griechischen Zyprioten können wieder zurückkehren. Es gibt sicher im Hintergrund auch den Gedanken, was ist, wenn es schiefläuft, wer hat dann was in der geteilten Insel. Aber klar ist: Ein Anreiz für die griechischen Zyprioten, sich zu einigen, ist die Rückgabe von Territorium, dass sie einen Teil dessen zurückkriegen, was sie '74 verloren haben. Ohne territoriale Konzessionen - das ist allen Beteiligten klar -, und die wird es auch geben, die sind ja auch schon gemacht worden, wird es keine Einigung geben. Man streitet sich jetzt noch darum, ob man von 34, 35 Prozent auf 28 oder 29 Prozent Territorium für den türkisch-zypriotischen Teilstaat kommt. Da geht es noch um ein Prozent. Aber es geht vor allen Dingen um ein für die griechischen Zyprioten wichtiges Dorf, das heißt Morphou. Und das ist auch offiziell noch nicht zurückgegeben worden. Aber auch das wird passieren. Da gibt es noch einiges, was eigentlich klar ist, aber was man aus taktischen Gründen sich jetzt noch in der Hinterhand hält.
    Simon: Was ja diesmal auch gut ist, das ist die Konstellation. Sowohl auf griechisch-zypriotischer als auch auf türkisch-zypriotischer Seite können die beiden Führer der jeweiligen Landesteile miteinander. Welche Rolle spielen die Garantiemächte? Die sind ja wichtig, damit auch wirklich etwas daraus wird, aus einer Wiedervereinigung. Wollen die alle?
    Faustmann: Zunächst mal gebe ich Ihnen absolut Recht. Die beiden, Nikos Anastasiadis und Mustafa Akinci, sind die Idealbesetzung für eine Lösung. Die zwei sind sicher die moderatesten und sicher stärksten politischen Führer, die wir uns in so einer Situation wünschen können. Da ist viel Hoffnung da. Und was die Garantiemächte anbelangt, ist es absolut entscheidend, vor allen Dingen was die Türkei macht, die einfach der dritte große Faktor in diesem Themenkomplex ist. Weil die griechischen Zyprioten vor allen Dingen ein Problem mit der Türkei haben und das Zypern-Problem auch als ein Problem der türkischen Besetzung der Insel empfinden, die beendet werden soll. Und da geht es um Fragen, soll die Türkei weiter Garantiemacht bleiben. Aus griechischer Sicht hat sie dieses Recht 1974 missbraucht, indem sie die Insel besetzt hat. Daher wollen die griechischen Zyprioten ein Ende dieses Garantiemachtstatus für die Türkei erreichen. Und sie wollen auch ein Ende einer türkischen Militärpräsenz auf der Insel erreichen. Das ist für sie absolut wichtig. Die türkischen Zyprioten wollen das aus Sicherheitsgründen, weil sie Angst vor den griechischen Zyprioten und der griechisch-zypriotischen Mehrheit haben, aber beibehalten. Und das ist der Knackpunkt, um den es heute geht. Griechenland und Großbritannien sind als Garantiemächte Teil der Lösung, aber nicht Teil des Problems, was den Garantiestatus anbelangt. Beide wollen nicht mehr Garantiemächte bleiben und auch die Griechen wollen keine Militärpräsenz auf der Insel mehr. Die unterstützen die griechisch-zypriotische Position. Aber ich sehe die nicht als Problemfaktoren. Griechenland vielleicht ein kleines bisschen, aber keinesfalls Großbritannien.
    Simon: Die Türkei könnte ja auch erleichtert sein, wenn es eine Lösung gibt für eine Wiedervereinigung, denn die Unterstützung für den türkischen Teil Zyperns kostet die ja viel Geld.
    "Rational gibt es sehr gute Gründe, dass die Türkei das Problem lösen sollte"
    Faustmann: Absolut! Wenn Sie das rational sehen, gibt es große Gründe oder sehr gute Gründe dafür, dass die Türkei das Problem lösen sollte. Aber da kommen natürlich nationalistische Denkmuster rein, das Gefühl, einen Krieg gewonnen zu haben, auch das Gefühl, irgendwo Land erobert zu haben. Gerade in den nationalistischen Kreisen der Türkei wäre eine Aufgabe des Nordens schwer zu verkaufen und würde sicher auch stark kritisiert werden. Aber prinzipiell haben Sie Recht.
    Simon: Wenn wir noch mal auf die Bevölkerung schauen. Die war ja in den letzten Jahren weniger heiß dabei für eine Wiedervereinigung, als das vielleicht ganz früher mal der Fall war. Wie sieht es heute aus?
    Faustmann: Das ist alles sehr durchwachsen. Es gibt auf beiden Teilen der Bevölkerung große Prozentsätze, die für eine Wiedervereinigung sind. Vor allen Dingen im Süden aber auch sehr große Teile der Bevölkerung, die gegen eine Wiedervereinigung in der Form sind, in der sie möglich ist. Die türkischen Zyprioten sind in einer verzweifelteren Lage und eher bereit, die Konzessionen zu machen, weil es ihnen wirtschaftlich schlechter geht, weil sie von der Türkei dominiert werden und weil sie ohne Lösung als Volksgruppe verschwinden werden, weil die Türkei Siedler im Norden ansiedelt. Die Lage der türkischen Zyprioten ist relativ verzweifelt und dadurch die Lösungsbereitschaft relativ hoch. Die griechischen Zyprioten leben in einem stabilen reichen Gemeinwesen und wissen, dass sie einiges riskieren werden, weil dieses Zusammenleben sicher nicht einfach werden wird. Die griechischen Zyprioten haben mehr Anreize, Nein zu sagen. Und es gibt einfach auch viele griechische Zyprioten, die die Lösung, die möglich ist, als so ungerecht empfinden, dass sie sie ablehnen. Der Süden ist das größere Problem, wenn wir zu den beiden Volksabstimmungen kommen werden.
    Simon: Die Konferenz in Genf über Zypern heute mit den sogenannten Garantiemächten Griechenland, Türkei und Großbritannien - eine große Chance für eine Wiedervereinigung, vielleicht nicht die letzte, meinte unser Interviewpartner Hubert Faustmann. Er ist Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Nikosia. Danke für das Gespräch.
    Faustmann: Ich bedanke mich auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.