Friedbert Meurer: Heute soll es endlich so weit sein: In Zypern öffnen die Banken um zwölf Uhr wieder ihre Pforten. Fast zwei Wochen lang waren sie geschlossen, um einen Ansturm besorgter Kunden auf ihre Einlagen zu verhindern, die dann alle gleichzeitig ihre gesamten Ersparnisse und Konten aufgelöst hätten – vielleicht. Der einzige Weg, an Geld zu kommen, war der Geldautomat; entsprechend lange Schlangen haben sich dort gebildet. Mit viel Spannung und auch mit Sorge blicken viele Zyprer dem heutigen Tag nun entgegen. Was wird er bringen?
Michael Kemmer ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Banken, wir erreichen ihn in München. Guten Morgen, Herr Kemmer!
Michael Kemmer: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Gibt es heute in Zypern den Bank Run, den Ansturm auf die Banken?
Kemmer: Na ja, es wird schon mehr los sein als sonst. Das ist ja auch kein Wunder, wenn die Banken einige Tage geschlossen haben. Ich gehe schon davon aus, dass wir auch ein paar Schlangen an den Bankschaltern sehen werden. Das sind alles Bilder, die wir natürlich nicht so gerne haben.
Meurer: Haben Sie so was schon mal erlebt?
Kemmer: Nein, das ist ein neuer Fall. Zumindest kenne ich so etwas nicht, dass Banken über einen so langen Zeitraum geschlossen geblieben sind. Und da muss man jetzt auch abwarten, wie es weitergeht. Das kann keiner so richtig präzise prognostizieren.
Meurer: Jeder darf nur eine bestimmte Summe von Geld abheben, Festgeldkonten dürfen nicht aufgelöst, gekündigt werden, man darf nur eine bestimmte Summe ins Ausland mitnehmen. Sind solche Limits notwendig?
Kemmer: In dem Spezialfall Zypern geht es wahrscheinlich nicht anders. Gut ist das natürlich nicht, das widerspricht auch dem Grundsatz der EU, der Kapitalverkehrsfreiheit, und das widerspricht natürlich auch dem Grundsatz, dass jeder über sein Geld verfügen können müsste. Aber wir müssen schon sehen: Zypern ist natürlich ein Sonderfall mit einem sehr stark überdimensionierten Bankensektor. Andererseits: Zypern ist auch ein kleines Land. Zypern hat die Wirtschaftskraft von Bremen. Wir sollten das Problem auch nicht überbewerten. Das ist von der Gesamtdimension her absolut überschaubar. Aber es ist natürlich klar, dass jeder hier sehr sensibel guckt, was dort passiert, und schön ist das nicht, gar keine Frage.
Meurer: Gehen Sie davon aus, Herr Kemmer, dass nach ein paar Tagen sozusagen alles ruhig sein wird, oder werden die Zyprer nicht versuchen, zu holen was zu holen ist, peu a peu jeden Monat, bis das Konto eben leer ist?
Kemmer: Ich glaube, dass sich das schon beruhigen wird. Die Leute werden sich daran gewöhnen. Und ich glaube auch nicht, dass es so einfach ist für jeden einzelnen, sein Geld zu nehmen und ins Ausland zu transferieren. Natürlich ist Unruhe da, das ist auch verständlich, aber ich gehe davon aus, wenn man hier auch vertrauensbildende Maßnahmen seitens der Regierung macht, den Leuten aufzeigt, wie es weitergehen wird und wie es weitergehen kann, dass sich die Situation tatsächlich nach ein paar Tagen beruhigen wird.
Meurer: Den kleinen Leuten wird es schwer gemacht, ihre Ersparnisse abzuheben, ins Ausland zu bringen. Es gibt ja Hinweise, Herr Kemmer, dass auch in der letzten Woche, als ja eigentlich kein Kapital fließen durfte, dass da doch Etliches aus Zypern herausgeschafft wurde. Wie kann so was geschehen?
Kemmer: Das verstehe ich auch nicht. Das würde ich auch für sehr schwierig halten, wenn diese Aussagen tatsächlich zuträfen, denn das ist natürlich für überhaupt niemanden nachvollziehbar, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Ich kenne es auch nur wie Sie aus der Presse. Man wird hier genau nachschauen müssen, was da war. Das ist ein großes Problem. Also das kann eigentlich nicht sein, da haben Sie völlig recht.
Meurer: Mit welchen Auswirkungen der Bankenöffnung auf Zypern rechnen Sie heute für die deutschen Banken?
Kemmer: Ich glaube nicht, dass es Auswirkungen für die deutschen Banken gibt. Die deutschen Sparer, die deutschen Anleger sehen sehr genau, dass Zypern ein Sonderfall ist. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist mit der in Zypern überhaupt nicht vergleichbar. Die rechtliche Ausgangslage ist auch mit der in Zypern überhaupt nicht vergleichbar. Wir haben in Deutschland ein sehr gut funktionierendes, sehr stabiles System der Einlagensicherung. Wir haben in Deutschland auch seit 2011 ein Gesetz zur Bankenabwicklung, zur Bankenrestrukturierung, das in solchen Fällen ganz klar sagen würde, dass auf die Einlagen der Sparer, und zwar auch auf die Einlagen, die die 100.000 Euro Grenze überschreiten, nicht zugegriffen werden kann. Und wie gesagt, der Hauptgrund ist, glaube ich, dass die Deutschen sehr genau wissen, dass die wirtschaftliche Stabilität, die wirtschaftliche Situation in Deutschland eine ganz andere, eine sehr viel bessere ist als die in Zypern.
Meurer: Sie sagen das so apodiktisch, es kann nicht auf die Ersparnisse über 100.000 Euro zugegriffen werden. Warum denn nicht?
Kemmer: Na ja, wir haben wie gesagt im Jahr 2011 ein deutsches Banken-Restrukturierungsrecht verabschiedet. Dieses sieht durchaus vor, dass auch Gläubiger herangezogen werden können. Aber dieses sagt eben sehr klar, welche Gläubiger herangezogen werden können, und da gehören die Einleger, die unter dem Schutz der Einlagensicherungssysteme der Banken stehen, und zwar ganz unabhängig von der Größe, von der Höhe der Einlage, diese Einleger gehören nicht dazu. Das ist geltendes deutsches Recht.
Meurer: Aber Recht ist das eine. Wird es denn reichen, was die Gläubiger im Notfall zahlen könnten?
Kemmer: Also davon gehe ich im Moment aus. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das irgendwie anders sein könnte. Dieses Gesetz musste auch in Deutschland noch nicht angewendet werden, denn die deutschen Banken sind stabil, die sind gut kapitalisiert, die sind auch ganz anders als in Zypern im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt überhaupt nicht zu überdimensioniert. Das heißt, die Situation ist gar nicht vergleichbar, Zypern ist hier in der Tat ein Sonderfall.
Meurer: Herr Kemmer, hören Sie im Bundesverband der deutschen Banken schon irgendwie, dass die Kunden anfangen, ihre Gelder mehr zu verteilen als bisher, damit auf keinem Konto bei keiner Bank mehr als 100.000 Euro liegen, sondern das schön verteilt ist?
Kemmer: Nein. Da gibt es bisher keine Anhaltspunkte. Wir beobachten das natürlich sehr genau, die einzelnen Banken beobachten das sehr genau. Die Aktivitäten in den Häusern, die Zahlungsverkehrsaktivitäten, die Aktivitäten an den Schaltern sind völlig normal. Die Kunden können hier sehr wohl unterscheiden, da gibt es keine Aktivitäten und das ist auch überhaupt nicht erforderlich.
Meurer: Aber dass diese 100.000-Grenze in Zypern so eine wichtige Rolle spielte, wäre das nicht eine kluge Empfehlung an die Leute, wenn alle, die mehr als 100.000 Euro haben, das verteilen?
Kemmer: Es ist in Deutschland eine völlig andere Situation. Ich glaube, wir haben überhaupt keinen Grund, da jetzt die Leute zu verunsichern. Die Dinge bei uns sind stabil. Wie gesagt, es gibt hier auch klare gesetzliche Regelungen, die einen solchen Zugriff unmöglich machen würden. Ich glaube nicht, dass wir mit solchen Diskussionen anfangen sollten.
Meurer: Euro-Gruppenchef Dijsselbloem hat nicht gesagt, dass die Abgabe auf die Ersparnisse eine Blaupause ist – haben wir ja eben gehört -, sondern er hat an anderer Stelle gesagt, das ist eine Vorlage. Können Sie sich das, was in Zypern passiert, vorstellen, Herr Kemmer, dass das noch woanders in Europa durchgezogen wird?
Kemmer: Also das Schwierige an dieser ganzen Thematik ist ja, dass wir einen Balanceakt machen müssen. Auf der einen Seite ist es ja durchaus richtig, dass man versucht, den Steuerzahler zu schonen und dass, wenn es Schieflagen in Banken gibt, zunächst mal die Eigentümer der Banken herangezogen werden, dann die nachrangigen Gläubiger und dann auch tatsächlich die Gläubiger, die beispielsweise Bankanleihen halten, denn das ist eine marktwirtschaftliche Lösung und auf eine solche sollte es zukünftig auch hinauslaufen, um die Steuerzahler zu schonen. Nur ganz, ganz wichtig ist, dass die Spareinlagen, das Geld der Sparer, verschont bleiben. Dafür gibt es eine gesetzliche Einlagensicherung in Europa, dafür gibt es eine gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland, eine freiwillige.
Meurer: Diese Einlagensicherung in Europa wurde mal in Zypern für ein paar Tage sozusagen ausgehebelt.
Kemmer: Das war sicherlich nicht gut. Ich glaube, die Politiker wissen, dass diese Aktion ein Fehler gewesen ist, dass die das Vertrauen der Sparer nicht nur in Zypern, sondern europaweit schon erschüttert hat. Deshalb gibt es auch diese ganzen Diskussionen. Und ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten da sehr klar ihre Lehren daraus gezogen haben. Die Einlagen, die unter der Einlagensicherung stehen, dürfen nicht angetastet werden, denn das Vertrauen der Sparer, das Vertrauen der Einleger ist ein ganz, ganz hohes Gut. Die Reaktionen der Sparer in Europa – nicht nur in Deutschland, auch in den anderen Ländern – in der letzten Woche zeigen, dass die Leute das verstanden haben. Es ist ja hier alles normal gelaufen. Aber es gibt nichts daran zu deuteln: Das, was da in der Nacht von Freitag auf Samstag der vorletzten Woche gelaufen ist, war keine vertrauensbildende Maßnahme. Die Politik darf auch mal einen Fehler machen, da sollte man nicht so streng sein. Das sind neue Situationen für alle Beteiligten. Wichtig ist, dass jeder seine Lehre daraus zieht.
Meurer: Müssen die Sparer in Italien Angst haben?
Kemmer: Nein. Ich gehe nicht davon aus, dass die Sparer in Italien Angst haben müssen. Italien muss halt seine Reformen durchziehen, das ist enorm wichtig. Die politische Situation in Italien ist im Moment nicht besonders stabil, das freut uns alle nicht, aber ich hoffe mal, dass die Ereignisse in Zypern allen Beteiligten auch vor Augen führen, wie wichtig es ist, dass man seine Haushalte in Ordnung bringt, dass man den Sektor konsolidiert, dass man hier die richtigen Schritte unternimmt. Wenn das geschieht, wird auch Italien wieder in vernünftige Bahnen kommen.
Meurer: In Zypern öffnen heute Mittag um zwölf Uhr wieder die Banken nach zwölftägiger Pause. Das war Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Banken. Ich danke Ihnen und auf Wiederhören, Herr Kemmer.
Kemmer: Gerne! Auf Wiederhören, Herr Meurer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Kemmer ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Banken, wir erreichen ihn in München. Guten Morgen, Herr Kemmer!
Michael Kemmer: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Gibt es heute in Zypern den Bank Run, den Ansturm auf die Banken?
Kemmer: Na ja, es wird schon mehr los sein als sonst. Das ist ja auch kein Wunder, wenn die Banken einige Tage geschlossen haben. Ich gehe schon davon aus, dass wir auch ein paar Schlangen an den Bankschaltern sehen werden. Das sind alles Bilder, die wir natürlich nicht so gerne haben.
Meurer: Haben Sie so was schon mal erlebt?
Kemmer: Nein, das ist ein neuer Fall. Zumindest kenne ich so etwas nicht, dass Banken über einen so langen Zeitraum geschlossen geblieben sind. Und da muss man jetzt auch abwarten, wie es weitergeht. Das kann keiner so richtig präzise prognostizieren.
Meurer: Jeder darf nur eine bestimmte Summe von Geld abheben, Festgeldkonten dürfen nicht aufgelöst, gekündigt werden, man darf nur eine bestimmte Summe ins Ausland mitnehmen. Sind solche Limits notwendig?
Kemmer: In dem Spezialfall Zypern geht es wahrscheinlich nicht anders. Gut ist das natürlich nicht, das widerspricht auch dem Grundsatz der EU, der Kapitalverkehrsfreiheit, und das widerspricht natürlich auch dem Grundsatz, dass jeder über sein Geld verfügen können müsste. Aber wir müssen schon sehen: Zypern ist natürlich ein Sonderfall mit einem sehr stark überdimensionierten Bankensektor. Andererseits: Zypern ist auch ein kleines Land. Zypern hat die Wirtschaftskraft von Bremen. Wir sollten das Problem auch nicht überbewerten. Das ist von der Gesamtdimension her absolut überschaubar. Aber es ist natürlich klar, dass jeder hier sehr sensibel guckt, was dort passiert, und schön ist das nicht, gar keine Frage.
Meurer: Gehen Sie davon aus, Herr Kemmer, dass nach ein paar Tagen sozusagen alles ruhig sein wird, oder werden die Zyprer nicht versuchen, zu holen was zu holen ist, peu a peu jeden Monat, bis das Konto eben leer ist?
Kemmer: Ich glaube, dass sich das schon beruhigen wird. Die Leute werden sich daran gewöhnen. Und ich glaube auch nicht, dass es so einfach ist für jeden einzelnen, sein Geld zu nehmen und ins Ausland zu transferieren. Natürlich ist Unruhe da, das ist auch verständlich, aber ich gehe davon aus, wenn man hier auch vertrauensbildende Maßnahmen seitens der Regierung macht, den Leuten aufzeigt, wie es weitergehen wird und wie es weitergehen kann, dass sich die Situation tatsächlich nach ein paar Tagen beruhigen wird.
Meurer: Den kleinen Leuten wird es schwer gemacht, ihre Ersparnisse abzuheben, ins Ausland zu bringen. Es gibt ja Hinweise, Herr Kemmer, dass auch in der letzten Woche, als ja eigentlich kein Kapital fließen durfte, dass da doch Etliches aus Zypern herausgeschafft wurde. Wie kann so was geschehen?
Kemmer: Das verstehe ich auch nicht. Das würde ich auch für sehr schwierig halten, wenn diese Aussagen tatsächlich zuträfen, denn das ist natürlich für überhaupt niemanden nachvollziehbar, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Ich kenne es auch nur wie Sie aus der Presse. Man wird hier genau nachschauen müssen, was da war. Das ist ein großes Problem. Also das kann eigentlich nicht sein, da haben Sie völlig recht.
Meurer: Mit welchen Auswirkungen der Bankenöffnung auf Zypern rechnen Sie heute für die deutschen Banken?
Kemmer: Ich glaube nicht, dass es Auswirkungen für die deutschen Banken gibt. Die deutschen Sparer, die deutschen Anleger sehen sehr genau, dass Zypern ein Sonderfall ist. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist mit der in Zypern überhaupt nicht vergleichbar. Die rechtliche Ausgangslage ist auch mit der in Zypern überhaupt nicht vergleichbar. Wir haben in Deutschland ein sehr gut funktionierendes, sehr stabiles System der Einlagensicherung. Wir haben in Deutschland auch seit 2011 ein Gesetz zur Bankenabwicklung, zur Bankenrestrukturierung, das in solchen Fällen ganz klar sagen würde, dass auf die Einlagen der Sparer, und zwar auch auf die Einlagen, die die 100.000 Euro Grenze überschreiten, nicht zugegriffen werden kann. Und wie gesagt, der Hauptgrund ist, glaube ich, dass die Deutschen sehr genau wissen, dass die wirtschaftliche Stabilität, die wirtschaftliche Situation in Deutschland eine ganz andere, eine sehr viel bessere ist als die in Zypern.
Meurer: Sie sagen das so apodiktisch, es kann nicht auf die Ersparnisse über 100.000 Euro zugegriffen werden. Warum denn nicht?
Kemmer: Na ja, wir haben wie gesagt im Jahr 2011 ein deutsches Banken-Restrukturierungsrecht verabschiedet. Dieses sieht durchaus vor, dass auch Gläubiger herangezogen werden können. Aber dieses sagt eben sehr klar, welche Gläubiger herangezogen werden können, und da gehören die Einleger, die unter dem Schutz der Einlagensicherungssysteme der Banken stehen, und zwar ganz unabhängig von der Größe, von der Höhe der Einlage, diese Einleger gehören nicht dazu. Das ist geltendes deutsches Recht.
Meurer: Aber Recht ist das eine. Wird es denn reichen, was die Gläubiger im Notfall zahlen könnten?
Kemmer: Also davon gehe ich im Moment aus. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das irgendwie anders sein könnte. Dieses Gesetz musste auch in Deutschland noch nicht angewendet werden, denn die deutschen Banken sind stabil, die sind gut kapitalisiert, die sind auch ganz anders als in Zypern im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt überhaupt nicht zu überdimensioniert. Das heißt, die Situation ist gar nicht vergleichbar, Zypern ist hier in der Tat ein Sonderfall.
Meurer: Herr Kemmer, hören Sie im Bundesverband der deutschen Banken schon irgendwie, dass die Kunden anfangen, ihre Gelder mehr zu verteilen als bisher, damit auf keinem Konto bei keiner Bank mehr als 100.000 Euro liegen, sondern das schön verteilt ist?
Kemmer: Nein. Da gibt es bisher keine Anhaltspunkte. Wir beobachten das natürlich sehr genau, die einzelnen Banken beobachten das sehr genau. Die Aktivitäten in den Häusern, die Zahlungsverkehrsaktivitäten, die Aktivitäten an den Schaltern sind völlig normal. Die Kunden können hier sehr wohl unterscheiden, da gibt es keine Aktivitäten und das ist auch überhaupt nicht erforderlich.
Meurer: Aber dass diese 100.000-Grenze in Zypern so eine wichtige Rolle spielte, wäre das nicht eine kluge Empfehlung an die Leute, wenn alle, die mehr als 100.000 Euro haben, das verteilen?
Kemmer: Es ist in Deutschland eine völlig andere Situation. Ich glaube, wir haben überhaupt keinen Grund, da jetzt die Leute zu verunsichern. Die Dinge bei uns sind stabil. Wie gesagt, es gibt hier auch klare gesetzliche Regelungen, die einen solchen Zugriff unmöglich machen würden. Ich glaube nicht, dass wir mit solchen Diskussionen anfangen sollten.
Meurer: Euro-Gruppenchef Dijsselbloem hat nicht gesagt, dass die Abgabe auf die Ersparnisse eine Blaupause ist – haben wir ja eben gehört -, sondern er hat an anderer Stelle gesagt, das ist eine Vorlage. Können Sie sich das, was in Zypern passiert, vorstellen, Herr Kemmer, dass das noch woanders in Europa durchgezogen wird?
Kemmer: Also das Schwierige an dieser ganzen Thematik ist ja, dass wir einen Balanceakt machen müssen. Auf der einen Seite ist es ja durchaus richtig, dass man versucht, den Steuerzahler zu schonen und dass, wenn es Schieflagen in Banken gibt, zunächst mal die Eigentümer der Banken herangezogen werden, dann die nachrangigen Gläubiger und dann auch tatsächlich die Gläubiger, die beispielsweise Bankanleihen halten, denn das ist eine marktwirtschaftliche Lösung und auf eine solche sollte es zukünftig auch hinauslaufen, um die Steuerzahler zu schonen. Nur ganz, ganz wichtig ist, dass die Spareinlagen, das Geld der Sparer, verschont bleiben. Dafür gibt es eine gesetzliche Einlagensicherung in Europa, dafür gibt es eine gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland, eine freiwillige.
Meurer: Diese Einlagensicherung in Europa wurde mal in Zypern für ein paar Tage sozusagen ausgehebelt.
Kemmer: Das war sicherlich nicht gut. Ich glaube, die Politiker wissen, dass diese Aktion ein Fehler gewesen ist, dass die das Vertrauen der Sparer nicht nur in Zypern, sondern europaweit schon erschüttert hat. Deshalb gibt es auch diese ganzen Diskussionen. Und ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten da sehr klar ihre Lehren daraus gezogen haben. Die Einlagen, die unter der Einlagensicherung stehen, dürfen nicht angetastet werden, denn das Vertrauen der Sparer, das Vertrauen der Einleger ist ein ganz, ganz hohes Gut. Die Reaktionen der Sparer in Europa – nicht nur in Deutschland, auch in den anderen Ländern – in der letzten Woche zeigen, dass die Leute das verstanden haben. Es ist ja hier alles normal gelaufen. Aber es gibt nichts daran zu deuteln: Das, was da in der Nacht von Freitag auf Samstag der vorletzten Woche gelaufen ist, war keine vertrauensbildende Maßnahme. Die Politik darf auch mal einen Fehler machen, da sollte man nicht so streng sein. Das sind neue Situationen für alle Beteiligten. Wichtig ist, dass jeder seine Lehre daraus zieht.
Meurer: Müssen die Sparer in Italien Angst haben?
Kemmer: Nein. Ich gehe nicht davon aus, dass die Sparer in Italien Angst haben müssen. Italien muss halt seine Reformen durchziehen, das ist enorm wichtig. Die politische Situation in Italien ist im Moment nicht besonders stabil, das freut uns alle nicht, aber ich hoffe mal, dass die Ereignisse in Zypern allen Beteiligten auch vor Augen führen, wie wichtig es ist, dass man seine Haushalte in Ordnung bringt, dass man den Sektor konsolidiert, dass man hier die richtigen Schritte unternimmt. Wenn das geschieht, wird auch Italien wieder in vernünftige Bahnen kommen.
Meurer: In Zypern öffnen heute Mittag um zwölf Uhr wieder die Banken nach zwölftägiger Pause. Das war Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Banken. Ich danke Ihnen und auf Wiederhören, Herr Kemmer.
Kemmer: Gerne! Auf Wiederhören, Herr Meurer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.