Der 26. April 2015 weckte auf Zypern neue Hoffnung. Im Norden der Insel wählten die Zyperntürken den Liberalen Mustafa Akinci zu ihrem neuen Präsidenten – und damit einen klaren Befürworter einer Wiedervereinigung der geteilten Insel.
Wir werden wie Schwestern und Brüder zusammenleben, sagte ein Anhänger in der Wahlnacht. Akinci ist der Einzige, mit dem wir das erreichen können, ergänzte seine Frau. Schon im Mai gab es erste Treffen zwischen dem türkisch-zyprischen Präsidenten und seinem Amtskollegen Nikos Anastasiadis, Staatschef der griechischen Republik Zypern und ebenfalls Anhänger der Idee eines vereinten Zypern.
Nach dem gescheiterten Referendum vom April 2004 war in Sachen Wiedervereinigung wenig passiert. Etwa drei Viertel der Zypern-Griechen hatten den Plan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan abgelehnt, der türkische Norden hatte mehrheitlich dafür gestimmt.
Jetzt wagen die beiden Politiker einen neuen Anlauf, um die Einheit der seit fast 42 Jahren geteilten Insel wiederherzustellen. Ihre Entschlossenheit demonstrieren sie auch durch gemeinsame Auftritte auf internationalem Parkett – wie letzte Woche beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
"2016 könnte das Jahr sein, in dem wir den unakzeptablen Status quo beenden – vorausgesetzt wir arbeiten entschlossen weiter an einer Lösung", sagt der Präsident der Zypern-Griechen, und auch sein türkischer Kollege will die Chance ergreifen:
"Die Verhandlungen sind jetzt in einer entscheidenden Phase. Wir sind uns bewusst, dass es der letzte Versuch ist, unsere Insel zu vereinen."
"Es fehlt ein klarer Anreiz für die Türkei"
Thasos Dokos verfolgt den Zypernkonflikt seit Jahrzehnten. Auch der Direktor des Forschungsinstituts Eliamap in Athen sieht deutliche Bewegung im Vereinigungsprozess:
"The prospects are good but I can not exclude the negative scenario."
Aber eben auch Risiken. Denn entscheidende Fragen sind noch nicht geklärt. Um eine Wiedervereinigung zu erreichen, müsste sich vor allem die Türkei bewegen. So gibt es Pläne, die Insel zu entmilitarisieren. Das würde den Abzug von rund 35.000 türkischen Soldaten bedeuten, die in Nordzypern stationiert sind.
Außerdem müsste sich die türkische Seite von der Rolle als Garantiemacht für Zypern verabschieden. Die anderen beiden Garantiemächte – Griechenland und Großbritannien – haben bereits signalisiert, darauf zu verzichten. Stattdessen könnte eine internationale Organisation darüber wachen, dass der Vereinigungsprozess fair abläuft, und nicht die eine oder die andere Seite benachteiligt; im Gespräch ist die Europäische Union. Thasos Dokos hat Zweifel, dass sich die Türkei darauf einlassen wird:
"Es fehlt ein klarer Anreiz für die Türkei. Beim Referendum 2004 war es die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der EU. Wir wissen alle, dass es dazu in den nächsten Jahren nicht kommen wird, wenn überhaupt jemals. Die Frage ist, warum die Türkei substanzielle Zugeständnisse in Sicherheitsfragen machen sollte."
Die neue Initiative zur Wiedervereinigung könnte aber auch am Süden der Insel scheitern. Über die Hälfte der Zypern-Griechen sind nach der Teilung im Jahr 1974 geboren. Während die ältere Generation darauf hoffe, türkisch besetzte Häuser und Dörfer zurückzubekommen, verbinde die Jungen wenig mit dem anderen Teil der Insel.
Wiedervereinigung birgt auch wirtschaftlichen Nutzen
"Alles, was die Jüngeren von der anderen Seite wissen, ist negativ besetzt, was auch in der Propaganda begründet liegt. Sie wurden auf einer geteilten Insel geboren und haben so viel über Gewalt von der anderen Seite gehört. Man muss sie überzeugen, dass eine Wiedervereinigung besser ist als die aktuelle Situation."
Laut Studien gäbe es durchaus einen wirtschaftlichen Nutzen. Wenn die Grenze fällt, wäre das Wachstumspotenzial viel größer, die Insel würde interessanter für Investoren. Ganz praktisch könnten die Einnahmen aus der Förderung auch einen Teil der Wiedervereinigungskosten decken, meint Politikwissenschaftler Thasos Dokos.
Ein wichtiger Teil der Verhandlungen dreht sich um die Entschädigung von Zyprern, die bei der Teilung der Insel ihr Eigentum verloren haben. Es gibt also noch viele Stolpersteine – andererseits aber viel zu gewinnen. Auch geopolitisch.
"Es könnte als Beispiel dienen für die Israelis und Palästinenser oder andere schwierige Konflikte im östlichen Mittelmeer. Ich denke, wenn die – nicht einfachen – Probleme erfolgreich gelöst werden, wird das Morgen in Zypern viel besser sein – für die EU, für die beiden Volksgruppen, für alle."