Archiv

Zypern
Proteste gegen Sparpolitik

Die zyprische Regierung gilt in der EU als Musterschüler bei der Umsetzung von Sparauflagen. Die Lage im Land bleibt jedoch kritisch: Die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen zwei Jahren auf 17 Prozent angestiegen. Deswegen demonstrierten jetzt Tausende Zyprer gegen die Troika und die Europäische Zentralbank.

Von Thomas Bormann |
    Zwei Demonstranten, im Hintergrund ein Plakat mit der Aufschrift: "No more austerity, we demand jobs and growth"
    "Wir fordern Jobs und Wachstum" - in Nikosia gingen Tausende Demonstranten gegen die Sparpolitik auf die Straße. (dpa/picture alliance/Katia Christodoulou)
    Tausende Zyprer zogen gestern mit Trillerpfeifen und Megafon durch die Straßen der Hauptstadt Nikosia:
    Troika raus aus Zypern, riefen sie, denn:
    "Die Troika hat nicht geholfen, sie hat die Krise nur schlimmer gemacht für die Menschen und für das Volk," sagt Stefanos Koursaros vom Verband der Einzelhändler auf Zypern:
    "Es ist eine Tragödie. 30 Prozent der kleinen Läden und der kleinen Unternehmen mussten in den vergangenen zwei Jahren schließen. Wir als Verband haben viele Vorschläge gemacht: dass die EU oder unsere eigene Regierung zinsgünstige oder zinsfreie Kredite zur Verfügung stellt, damit die kleinen Unternehmen die Krise überleben."
    Die EU und die zyprische Regierung bleiben aber bei der Sparpolitik. Das ließ die Arbeitslosigkeit auf Zypern hochschnellen: von um die drei Prozent auf rund 17 Prozent.
    Junge Menschen finden auf Zypern derzeit gar keine Arbeit - wie die 27-jährige Politikwissenschaftlerin Christiana aus Nikosia, die nach ihrem Examen befristet zwei Jahre lang gearbeitet hatte, und jetzt ständig Bewerbungen schreibt:
    "Ich finde nicht mal einen Job als Sekretärin, obwohl ich darin Erfahrung habe. Es ist unmöglich. Ich hatte nur zwei oder drei Bewerbungsgespräche in einem Zeitraum von 6 Monaten."
    Deshalb demonstriert auch sie hier gegen die Troika und gegen die Europäische Zentralbank.
    Glimpflicher davongekommen als Griechenland
    Aber: die Proteste auf Zypern halten sich in Grenzen. Es kamen deutlich weniger Menschen zur Kundgebung gestern Abend als die Veranstalter erwartet hatten. Viele Zyprer schöpfen offenbar Hoffnung, dass die Krise jetzt allmählich überwunden wird.
    Zypern ist bislang deutlich glimpflicher davongekommen als Griechenland, meint Politikprofessor Hubert Faustmann, der Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung auf Zypern:
    "Sowohl 2013 als auch 2014 schrumpfte zwar die Wirtschaft, erst mit 5,4, dann mit 2,4 Prozent, aber deutlich weniger als in Griechenland. Und wenn innerhalb von zwei Jahren dann schon die Talsohle erreicht ist, ist es natürlich ein ganz anderer Vorgang als es in Griechenland der Fall war."
    Der zweite Unterschied: Auf Zypern sitzt die konservative Regierung fest im Sattel, und die gilt bei den europäischen Partnern als eine Art Musterschüler, wenn darum geht, Sparauflagen umzusetzen.
    Der Parlaments-Abgeordnete Marios Mavridis von der konservativen Regierungspartei DISY ist optimistisch: Mit den gesunkenen Löhnen wird Zypern konkurrenzfähig und wird Investoren anlocken. Chancen gibt es viele, Marios Mavridis zählt einige auf:
    "Wir haben zum Beispiel die erneuerbaren Energien, wir haben so viel Sonne auf Zypern - zehn Mal mehr als in Deutschland. Oder ein anderer Sektor: die Forschung. Warum sollen wir das nicht genauso schaffen wie Israel, wo viele Forscher arbeiten. Wir haben viele gute Wissenschaftler, die aber nicht in Zypern bleiben. Wir sollten sie in Zypern halten."
    Von der EU im Stich gelassen?
    Noch aber flüchten Wissenschaftler geradezu aus Zypern, bestätigt auch Hubert Faustmann von der Ebert-Stiftung:
    "Die Zyprioten sind nun einmal sehr gut ausgebildet. Es ist einer der höchsten Akademiker-Anteile in der Bevölkerung weltweit, es ist ein sehr gut ausgebildetes Land, und viele werden gehen und gehen müssen. Dieser Braindrain, dieser Verlust an Eliten, der wird auch Zypern stark treffen."
    Programme für Wachstum statt Sparpolitik - das stand auf etlichen Plakaten gestern Abend bei der Kundgebung in Nikosia. Christiana, die 27-jährige, arbeitslose Politikwissenschaftlerin meinte, die Politiker in der EU sollten genau auf die Verträge schauen, die sie selbst unterschrieben haben:
    "Im Vertrag von Lissabon steht doch ganz klar, dass die Europäische Union vor allem dafür da ist, die Bürger zu unterstützen und zu schützen."
    Sie fühlt sich, wie Tausende anderer Zyprer auch, von der Europäischen Union im Stich gelassen.