Rein zeitlich gesehen liegen die beiden Hälften der Mittelmeerinsel Zypern zur Zeit so weit auseinander wie wohl nie zuvor. Seit die Türkei beschlossen hat, die Uhren Ende Oktober nicht auf Winterzeit zurück zu stellen, trennt die türkische Republik Nordzypern und den zur EU gehörenden Inselsüden nicht nur eine Grenze, sondern auch eine Stunde. Abgesehen von dieser zeitlichen Komponente schienen die Chancen für so etwas Ähnliches wie eine Wiedervereinigung der Insel selten so günstig wie jetzt. Marina Nyophidou aus dem Inselsüden setzt deshalb große Hoffnungen in die Gespräche: "Ja, Zusammenleben in Harmonie und ohne Konflikte. Faktisch gesehen gibt es ja eigentlich keine Konflikte aber es gibt doch Differenzen zwischen den Menschen. Es wäre gut, besser ins Gespräch zu kommen und näher zusammen zu rücken."
Garantiemacht Türkei?
In ihren bilateralen Gesprächen der vergangenen anderthalb Jahre waren sich die Verhandlungsführer der griechischen und türkischen Zyprer in vielem näher gekommen. So streben sie jetzt gemeinsam eine Föderation zweier Bundesstaaten an. Nach den bisherigen Fortschritten fährt der Präsident der griechischen Zyprer Nikos Anastasiadis voller Zuversicht in die Schweiz: "Im Gegensatz zu früheren Verhandlungen sind wir diesmal bei strittigen Fragen sehr weit fortgeschritten: Es gibt bereits gemeinsame Überlegungen zur Neuaufteilung der Gebiete oder zur Sicherheit".
Aber es gibt auch noch Knackpunkte: Etwa die Frage der Garantiemächte. Die türkisch-zyprische Seite besteht darauf, dass die Türkei Garantiemacht bleibt, wie schon seit 1960. Die griechischen Zyprer lehnen das entschieden ab. Doch der Präsident der Türkischen Republik Nordzypern, Mustafa Akinci, betont lieber die Gemeinsamkeiten - und den Willen zur Einigung: "Es ist ein Erfolg, dass wir nach all den Monaten so viel erreicht haben. Wir haben den Willen, die Arbeit zu Ende zu bringen und eine Lösung zu finden."
Alarm in Brüssel
Doch die Sache hat einen Haken. Damit, dass sich die Zyprer selbst einig sind, ist es nicht getan. Der Inselsüden ist seit 2004 EU-Mitglied. Wenn in einem künftigen Föderalsystem Entscheidungen, die beide Inselteile betreffen, nur gemeinsam gefällt werden können, haben beide Seiten ein Vetorecht. Die türkischen Zyprer könnten also beim EU-Mitglied Süd-Zypern mitregieren. In Brüssel schrillen deshalb die Alarmglocken. Diplomaten befürchten deshalb, der türkische Präsident Erdogan könnte die türkischen Zyprer für seine Interessen instrumentalisieren. Die wiedervereinigte Mittelmeerinsel wäre dann so etwas wie ein trojanisches Pferd. Die unterschiedlichen Zeitzonen dürften in diesem Fall das geringste Problem sein.